Corona – aus einem etwas anderen Blickwinkel, Teil 6

Nebst all den negativen Folgen, die Corona mit sich bringt, gibt es in Entwicklungsländern erfreuliche Entwicklungen und positive Nebeneffekte. Drei Helvetas-Mitarbeitende aus drei Kontinenten berichten regelmässig, wie Covid-19 den Alltag der Menschen in Myanmar, Burkina Faso und Peru verändert. Teil sechs dieses aussergewöhnlichen Tagebuchs.
19. Mai 2020

Myanmar: Mutige Produzentinnen trotzen Corona

Von Peter Schmidt, Direktor Helvetas Myanmar

© Helvetas
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Daw Aye Aye Naing ist nicht eine, die so leicht aufgibt. Ihr gehört und sie leitet ihr Familienunternehmen, das die vitaminreiche Steinfrucht Jujube zu Saft, Sirup und Konfekt verarbeitet. Das Besondere an Jujube: Der Baum wächst rund um die über zweitausend Pagoden in Bagan, einem der Weltkulturerbe Myanmars. Er prägt die Einzigartigkeit des Orts mit und ist damit schützenswert.

Genau dies, nämlich die landwirtschaftliche Biodiversität zu erhalten, hat sich das vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO unterstützte Biotrade-Projekt zum Ziel gesetzt, das Helvetas in Myanmar, Laos und Vietnam umsetzt. Es vermittelt den Zugang zu Absatzmärkten. Die Unternehmerin Aye Aye ist eine der ersten Partnerinnen des Projekts, und ihr Betrieb hat sich in den drei Jahren, seit ich sie kennengelernt habe, gehörig gewandelt: Er ist gewachsen und besser organisiert, und Aye Aye hat mittlerweile auch erste Kontakte zu internationalen Kunden.

Arbeiten und Wohnen in der Fabrik

Auch in Salay, der Kleinstadt mit kolonialen Wurzeln am Ufer des Ayarwaddy mitten in Myanmar, wo Aye Ayes kleine Fabrik mit heute gut 80 Angestellten steht, hat die Regierung Massnahmen verordnet, um die Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. Versammlungsverbot, nächtliche Ausgangsperre, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Gesundheitsinspektionen industrieller Betriebe: das übliche Programm halt. Aye Aye hat ihre Belegschaft zusammengerufen und vorgeschlagen, dass diejenigen Mitarbeiterinnen, die das wollen, während der Zeit der Einschränkungen in der Fabrik wohnen und in einem geschlossenen System mit minimalem Aussenkontakt weiterarbeiten sollen. Zwanzig Frauen stimmten zu. Den anderen sechzig versprach Aye Aye, ihnen während der Zeit ohne Arbeit und Lohn mit Reis und anderen Lebensmitteln auszuhelfen.

Im bemalten Lastwagen unterwegs

Die zwanzig Fabrikarbeiterinnen richteten sich ein. Die zuständigen lokalen Behörden segneten das Vorhaben ab, und die Produktion lief weiter. Denn die Nachfrage nach gesunden Nahrungsmitteln war gestiegen. Schliesslich soll eine gute Konstitution ja das Immunsystem stärken! Und so setzte sich Aye Aye in ihren kleinen mit ihren Produkten bemalten Lastwagen und machte sich auf abenteuerliche Reisen, um ihre Produkte zu den Abnehmern im ganzen Land zu bringen. Dies verlangte Überzeugungskraft an Kontrollpunkten, Übergaben der Waren am Stadtrand und Übernachtungen am Strassenrand bis die nächtliche Ausgangssperre vorüber war. Gleichzeitig bemühte sich Aye Aye um einen zinsgünstigen Kredit, um die trotzdem erlittenen Ertragsausfälle zu kompensieren.

Auch Myanmar hat ein Hilfspaket für kleine und mittlere Unternehmen geschnürt: 70 Millionen Dollar stehen bereit – in der Schweiz sind es 40 Milliarden Franken. Pro Kopf der Gesamtbevölkerung gerechnet entspricht das in Myanmar 1.20 Franken gegenüber 4’705 Franken in der Schweiz. Alle fünfzehn Partnerfirmen des Biotrade-Projekts haben sich um einen solchen Kredit beworben. Geld erhalten hat bis heute noch keines der Unternehmen. Gut gibt es mutige Unternehmerinnen, hier wie dort, die sich selbst zu helfen wissen! (geschrieben am 17.5.2020)

© REUTERS ATTENTION EDITORS

Corona – aus einem etwas anderen Blickwinkel Teil 1

Lesen Sie hier den ersten Teil des Tagebuchs aus Myanmar, Burkina Faso und Peru vom 9. März.
© AFP/PHYO MAUNG MAUNG

Corona – aus einem etwas anderen Blickwinkel Teil 2

Lesen Sie hier den zweiten Teil des Tagebuchs aus Myanmar, Burkina Faso und Peru vom 19. März.

Corona – aus einem etwas anderen Blickwinkel Teil 3

Lesen Sie hier den dritten Teil des Tagebuchs aus Myanmar, Burkina Faso und Peru vom 1. April.
© Franca Roiatti | Helvetas

Corona – aus einem etwas anderen Blickwinkel Teil 4

Lesen Sie hier den viertenTeil des Tagebuchs aus Myanmar, Burkina Faso und Peru vom 21. April.
© Keystone/AP Photo/Rodrigo Abd

Corona – aus einem etwas anderen Blickwinkel Teil 5

Lesen Sie hier den fünften Teil des Tagebuchs aus Myanmar, Burkina Faso und Peru vom 5. Mai.
© MPP

Corona – aus einem etwas anderen Blickwinkel Teil 7

Lesen Sie hier den siebten Teil des Tagebuchs aus Myanmar, Burkina Faso und Peru vom 9. Juni

Burkina Faso: Schritte in einen neuen Alltag

Von Franca Roiatti, Helvetas-Kommunikationsverantwortliche für Westafrika

Die drei Männer helfen den Gläubigen schon beim Eingang, die Covid-19-Präventivmassnahmen einzuhalten. Wer den Innenhof der Kirche «Bon Berger» in Ouagadougou betreten will, muss sich die Hände waschen, eine Einwegmaske anziehen und die Temperatur messen lassen. An der Kirchentür warten zwei Freiwillige, die den Kirchenbesuchenden einen Platz zuweisen – in angemessenem Abstand zu den anderen Teilnehmenden des 9-Uhr-Gottesdienstes. Nach den Moscheen haben die evangelischen Kirchen in Burkina Faso ihre Türen wieder geöffnet. Die katholischen Kirchen werden diese Woche folgen. Ein weiterer Schritt zu einem neuen Alltag mit dem Coronavirus.

15'000 Freiwillige sensibilisieren die Menschen im Land

In Burkina Faso steigen die Covid-19-Fälle weiterhin, wenn auch langsam. Um die Epidemie einzudämmen, zählt die Regierung vor allem auf das Verhalten der einzelnen Menschen – mit der Unterstützung von 15’000 Freiwilligen, die im ganzen Land eingesetzt werden, um das Bewusstsein für das Virus und die nötigen Vorsichtsmassnahme zu schärfen. Und mit Hilfe der Technologie: Junge, lokale Experten haben fünf Apps entwickelt, die den Menschen helfen, die richtigen Informationen zu erhalten, die Symptome von Covid-19 zu erkennen und per Mobiltelefon zu melden, wenn sie solche an sich oder ihren Familienmitgliedern erkennen.

Die weitgehende Lockerung der Eindämmungsmassnahmen gibt allerdings Anlass zu Bedenken. Busse, die die Verbindungen zwischen der Hauptstadt und anderen Städten wieder aufgenommen haben, befördern oft mehr Menschen, als es die Corona-Regeln eigentlich vorsehen, so dass es schwierig ist, die physische Distanz einzuhalten. Masken sind nach wie vor unbeliebt, obwohl offiziell eine Verschärfung der Kontrollen angekündigt wurde. In der Zwischenzeit berichtet die Presse über Unklarheiten im Zusammenhang mit dem ersten Covid-19-Todesfall vom März, bei dem es sich um eine prominente politische Persönlichkeit handelte. Eine Situation, die der Regierung nicht gerade dabei hilft, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.

Kinder besuchen die «Hygieneschule»

Überall auf der Welt zeigt die Corona-Pandemie einmal mehr, wie entscheidend glaubwürdige Institutionen für die Krisenbewältigung sind und wie wichtig es ist, dass die Menschen informiert und darauf vorbereitet sind, ihre Rolle als verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger zu spielen. Dies ist der Grund, warum das Helvetas-Nothilfeprojekt WASHPRO Binnenvertriebenen und Familien, die diese aufnehmen, im Bereich Wasser und sanitäre Anlagen unterstützt, zugleich aber auch Schulungen organisiert, um die Menschen und Gemeinden in die Lage zu versetzen, ihre Wasserressourcen selbst zu verwalten. Wie kann ein gleichberechtigter Zugang zu Wasser gewährleistet werden? Wie kann man das Geld verwalten? Wie legt man ein Wartungsprogramm fest? Dies sind einige der Fragen, die die Mitglieder der Wassernutzervereinigung während unserer Schulung behandelt haben – natürlich mit einer Maske!

Und das ist auch der Grund, warum die Eltern begeistert waren, ihre Kinder in die «Hygieneschule» zu schicken, die das Helvetas-Projekt LAAFIA organisiert, auch wenn der reguläre Unterricht noch nicht wieder aufgenommen wurde. Sie sind sich – als Folge von Corona – mehr denn je bewusst, wie wichtig es für ihre Kinder ist, etwas über persönliche Hygiene zu lernen und wie man sich die Hände korrekt wäscht. (geschrieben am 17.5.2020)

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Peru: Die kleinen, entscheidenden Dinge

Von Kaspar Schmidt, Helvetas-Programm-Berater Peru

© Helvetas
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Seit Anfang Woche dürfen Familien in Peru wieder nach draussen. Jeweils nachmittags für eine halbe Stunde Spaziergang im Umkreis von 500 Metern ihrer Wohnung und mit Maske – aber raus in die Parks, raus an die frische Luft! So zogen auch wir unsere neu genähten Masken über und hüpften und rannten ausgiebig durch den nahen Park, sammelten Blüten und Blätter und freuten uns, endlich wieder im Freien sein zu können. Die Ankündigung dieses Schrittes vor rund zehn Tagen schuf wichtige Perspektiven und stärkte unsere Motivation, auch aus den verbleibenden Quarantänewochen noch das Beste zu machen.

Gesundheitssystem an der Grenze

So erleben auch wir hier in Peru, wie entscheidend die sogenannten kleinen Dinge in Wirklichkeit sind für unser Wohlbefinden. Oder wie es eine Mitarbeiterin von Helvetas Peru beschreibt: «Wir schätzen das Einfache, Grundlegende und Notwendige wieder viel mehr: Familie, Zuneigung, Fürsorge, Geduld, Respekt, das Essen, Sauberkeit und ein gutes Gespräch.»

Die peruanische Regierung hat den Notstand nochmals um zwei weitere auf insgesamt zehn Wochen verlängert. Nun scheinen die täglichen Neuinfektionen auf hohem Niveau zu stagnieren – zum Glück. Das schwache Gesundheitssystem läuft schon seit Wochen an den Kapazitätsgrenzen. Die mittlerweile gut tausend Intensivbetten im Land mit Beatmungsgeräten sind ständig zu mehr als 80 Prozent besetzt.

Land hilft Stadt

Während den vergangenen Wochen entstanden in Peru zahlreiche Initiativen zur Bewältigung der Probleme, die mit der Pandemie und ihren wirtschaftlichen Folgen entstanden sind. In verschiedenen Teilen Limas etablierten sich neue Produzentenmärkte, auf denen Bauernfamilien ihre frische Ware zu attraktiven Preisen und unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorschriften anbieten. Wir hoffen, dass diese neuen Märkte bleiben werden. So lässt die Pandemie auch die Beziehung zwischen Städten und ländlichen Regionen in neuem Licht erscheinen und unterstreicht die essenzielle Bedeutung des produzierenden Hinterlandes für die Städte. Nun organisieren ländliche Gemeinschaften Lebensmittel-Hilfslieferungen für ihre Verwandten, die in grossen Städten leben. So geschehen aus dem Dorf Kiuñalla in Apurimac, einer Projektregion von Helvetas. Die Bauern des Dorfes sammelten anfangs Mai Produkte für Mitglieder ihrer Dorfgemeinschaft in Lima. Der Distriktvorsteher organisierte den Transport der Güter nach Lima, wo sie an mehr als hundert bedürftige Familien verteilt wurden. In diesem Beispiel wie auch generell spielt die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle in der Krise.

Digitaler Schub

Seit nunmehr zwei Monaten arbeiten wir von Helvetas Peru von zu Hause aus. Für viele Kolleginnen und Kollegen ist dies eine neue Arbeitsform. Das Team eignet sich die notwendigen Kenntnisse für die Zusammenarbeit auf Distanz und die Kommunikationsarbeit über virtuelle Kanäle aus purer Notwendigkeit sehr schnell an. Paradoxerweise haben wir, wie eine Kollegin beobachtet, über verschiedene Kanäle und dank virtuellen Teamsitzungen zurzeit trotz grosser physischer Distanz mehr Kontakt und Austausch zwischen den verschiedenen Projektteams als vorhin. So schweissen uns die neuen Herausforderungen und die Situation der Krise stärker zusammen als Team.  (geschrieben am 18.5.2020)

 

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