© Fatoumata Tioye Coulibaly / fairpicture.org

Neue Hoffnung trotz Klimawandel

In Mali, am Rand der Sahelwüste, ist der Regen unberechenbar geworden. Wissbegierig lernen Reisbauern und Gemüsebäuerinnen, wie sie dem Klimawandel begegnen können.
TEXT: Rosaline DACKO, Adama Traoré, Bréhima Traoré - FOTOS / VIDEOS: Fatoumata Coulibaly / fairpicture.org - 22. März 2021
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Fein säuberlich sammelt Mariama Coulibaly die Äste auf und legt sich das Bündel auf den Kopf. Sie braucht das Holz nicht nur daheim, sondern auch für den Chorkor, einen speziellen Ofen, mit dem sie, und mit ihr zahlreiche Frauen, Fisch räuchern.

Doch davon später. Denn dies ist die Geschichte von Menschen, die dank einem neuen Umgang mit Wasser, dank klimaangepasstem Saatgut und vor allem dank Wetterdatensammlerinnen und guten, landwirtschaftlichen Wetterprognosen trotz des Klimawandels in den Trockengebieten des Sahel weiterleben können. Dort, wo die Regenfälle, auf die die landwirtschaftlichen Tätigkeiten traditionellerweise abgestimmt sind, heute unvorhersehbar sind: Sie beginnen später, sind heftiger, was zu Überschwemmungen führt, oder es fällt so wenig Regen, dass die Felder vertrocknen. Dies gefährdet die Existenz von tausenden Familien wie jener von Mariama, 26, und ihrem Mann Daouda N’Tana Coulibaly, 35. Sie leben in M’Penesso in der Region Ségou in der Nähe von San.

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Mariama Coulibaly (l.) verkauft auf dem Markt geräucherten Fisch. Es ist ein willkommenes Zusatzeinkommen. © Fatoumata Tioye Coulibaly / fairpicture.org

Zu selten und zu wenig Regen

«Mein Vater und mein Grossvater bauten auf kleinen Parzellen Pflanzensorten mit einem langen 120-tägigen Reifezyklus an. Die winterlichen Regenfälle verteilten sich über die ganze Saison und verursachten keine Schäden. Die Ernte ernährte unsere Familie ein ganzes Jahr lang», erzählt Daouda.

Mit der Zeit jedoch verarmten die Böden, weil auf den Baumwollmonokulturen in der Gegend zu viel chemischer Dünger ausgebracht wurde. Und seit zehn Jahren ist auf den Regen kein Verlass mehr, wie Daouda erzählt. Die Pflanzen seien von Krankheiten befallen worden, das Saatgut war für die neue Situation nicht geeignet. «Meine kleine Parzelle gab nur noch wenig her, und ich wusste nicht mehr, was tun», erzählt der Reisbauer.

Was Daouda berichtet, erstaunt angesichts des grün-goldenen Feldes, durch das er geht, gebückt, um mit schnellen Sichelhieben Reispflanzen zu schneiden. Heute ist sein Feld sein ganzer Stolz: «Ich bin einer der grössten Reisproduzenten im Dorf», sagt er hochzufrieden. «Die Ernte hat sich fast verdoppelt, seit ich das ganze Feld bewässern kann.» Die Ernte, das sind mehr als 130 Säcke Reis zu je 70 Kilo. In den Jahren davor musste er sich mit 70 Säcken begnügen.

Zukunft gestalten trotz Klimawandel

Daouda und Mariama nehmen beide am Projekt Nyèsigi teil, was in der Lokalsprache bedeutet: «Lasst uns unsere Zukunft gestalten». Helvetas unterstützt in 18 Gemeinden Kleinbauernfamilien, ihre Produktion den veränderten klimatischen Bedingungen anzupassen.

Angesichts der neuen Unsicherheiten ist es für die Bauernfamilien beispielsweise zentral geworden, präzise landwirtschaftliche und meteorologische Informationen zu erhalten und sich neues Wissen aneignen zu können. «Vor dem Projekt machte ich meine Arbeit so, wie ich persönlich es für richtig hielt», sagt Daouda. «Nun informiere ich mich, wie ich vorgehen soll, sobald es anfängt zu regnen: Ist es der richtige Zeitpunkt für die Aussaat? Oder wäre es besser, noch zu warten? Und falls ja, wie lange?»

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«Sobald es anfängt zu regnen, informiere ich mich, ob der richtige Zeitpunkt für die Aussaat ist.»

Daouda Coulibaly, Reisbauer

Junge Frauen und Männer, die im Projekt ausgebildet werden, um Wetterdaten zu sammeln, können diese Fragen beantworten. 

«Wir erhalten Ratschläge. Sie geben uns Informationen zum Wetter. Meistens kommen sie direkt auf unser Feld», erklärt Daouda. Während der Gemüseanbau-Saison erhält seine Frau Mariama Empfehlungen, welche Gemüsesorten sie am besten mit welcher Technik anpflanzt und wie sie die Pflanzen pflegen soll. Zudem werden Bauern der Region dabei unterstützt, klimaangepasstes Saatgut herzustellen und zu verkaufen: Reis- und Hirsesorten, die schnell wachsen und widerstandsfähig sind gegen Trockenheit und Krankheiten.

Das Land, auf dem sich Daoudas Feld befindet, wurde mit der Unterstützung von Helvetas von Bäuerinnen und Bauern aus 30 Dörfern angelegt. Sie verwalten gemeinsam den Boden, das Wasser, die Steuern und die Reparaturkosten der Pumpen. Diese Zusammenarbeit beugt Konflikten vor, die aufgrund der knapp werdenden Ressourcen entstehen könnten.

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Der selbstgebaute Räucherofen erspart Mariama Coulibaly und den anderen Frauen viel Zeit. © Fatoumata Tioye Coulibaly / fairpicture.org
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Mariama Coulibaly mit gesammeltem Brennholz. © Fatoumata Tioye Coulibaly / fairpicture.org
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Daouda Coulibaly bei der Arbeit auf seinem Reisfeld. © Fatoumata Tioye Coulibaly / fairpicture.org
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Traditionelle Methoden, neues Wissen

Bei den Treffen auf den Schulungsfeldern, auf denen die Ausbildungen stattfinden, erlernen die Bäuerinnen und Bauern neue Techniken wie etwa die direkte Aussaat ohne vorherige Bodenbearbeitung, den Anbau von Zwischenfrüchten und die Schnellkompostierung. Verbunden wird das neue Wissen mit traditionellen Methoden aus dem Sahel wie zum Beispiel der «Zai»-Technik: Mit einer Hacke graben die Bauern halbkreisförmige Mulden, in denen sich vom Wind verfrachtetes organisches Material und Oberflächenwasser sammelt. So können sich ausgelaugte Böden erholen und ihre Fruchtbarkeit wiedererlangen.

Heute können Mariama und Daouda dank den lokalen Wetterprognosen, dem angepassten Saatgut und ihren neuen Kenntnissen gut für ihre Familie sorgen. «Wir haben fast 100’000 Francs CFA (175 Franken) auf die Seite gelegt für die medizinische Versorgung, die Schulgebühren und Kleider für unsere drei Töchter – früher war es eng.» Die Familie konnte sich sogar einen Fernseher kaufen, der mit Solarstrom funktioniert, und das Velo gegen ein Motorrad eintauschen. Das Paar ist vor allem froh, dass es sich und die Kinder nun mit Gemüse und Reis gesund ernähren kann.

Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Daouda geht jeden Abend nach der Feldarbeit zum frisch sanierten Stausee von M’Penesso, um Fische zu fangen. Der See wurde im Rahmen des Projekts ausgebessert, damit die Bauernfamilien ihre Felder bewässern können. Die Frauen aus dem Dorf räuchern den dort gefangenen Fisch.

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Daouda Coulibaly fischt abends im sanierten Stausee. Dessen Wasser dient auch der Bewässerung. © Fatoumata Tioye Coulibaly / fairpicture.org

Zusatzeinkommen geräucherter Fisch

Auch Mariama produziert geräucherten Fisch. Mit dieser traditionellen Arbeit erwirtschaften die Frauen ein weiteres kleines Einkommen. Früher war das Räuchern aufwändig, weil die Frauen viel Holz heranschaffen und viel Zeit am Feuer und in seinem schädlichen Rauch verbringen mussten. Mariama ist froh, dass sie nun zusammen mit anderen Produzentinnen Zugang zu einem neuen Ofen hat: dem Chorkor, der weniger Holz braucht, so die natürlichen Ressourcen schont und weniger Treibhausgase verursacht. Dank dem Chorkor wird der geräucherte Fisch qualitativ sogar besser, und der Ofen erleichtert den Frauen die Arbeit, weil das Räuchern nur noch acht bis zwölf Stunden dauert – statt wie früher 48 Stunden.

«Ich kann bis zu 40 Kilo geräucherten Fisch pro Monat herstellen, und weil er neun Monate lang haltbar ist, verkaufe ich ihn erst auf dem Markt, wenn das Fischangebot knapp wird – so erziele ich einen dreimal höheren Preis», erzählt Mariama stolz. Ihr Einkommen ist um über 30 Prozent gestiegen. Im Rahmen des Projekts wurden in M’Penesso vier Öfen gebaut, die von den Produzentinnen selbst verwaltet werden. Junge Handwerker haben gelernt, die Öfen herzustellen.

Auch der Herd, auf dem Mariama jeden Tag den Reis oder die Foniohirse für ihre Familie kocht, ist speziell. Sie hat ihn mithilfe anderer Frauen und mit Unterstützung der Projektpartner selbst aus Ton gebaut. «Dank diesem Herd brauche ich pro Tag eine Stunde weniger für die Zubereitung der Mahlzeiten und auch weniger Holz. Vor allem kann ich kochen, ohne schädlichen Rauch einzuatmen, ohne mich am Feuer zu verbrennen und ohne dass mir ständig der Schweiss runterläuft», ergänzt sie.

«Ich habe mehr Zeit, um meine Tomaten und meine Zwiebeln im Garten zu pflegen. Und für die Fische.» Ihre sehr vollen Tage, die bereits um 5 Uhr morgens beginnen, wenn der Rest der Familie noch schläft, sind nun etwas weniger anstrengend. Und am Abend können sie und ihr Mann ihrer ältesten Tochter, der siebenjährigen Alima, bei den Hausaufgaben helfen und der fünfjährigen Sali zusehen, wie sie mit der jüngsten, der einjährigen Kadia spielt. Das Paar erhofft sich für die Töchter eine gute Zukunft in M’Penesso, trotz der Herausforderungen des Klimawandels. «Unser Wunsch ist, dass unsere Kinder dank unserer neuen Kenntnisse hier aufwachsen können», sagt Daouda.

Die Sicherheitslage in Mali

Seit 2012 verschlechtern sich die politische und die Sicherheitslage in Mali kontinuierlich. Bewaffnete Gruppen sowie grenzüberschreitende kriminelle Netzwerke kämpfen um die Kontrolle über Schmugglerrouten im Norden. Angriffe dschihadistischer Gruppen und von Milizen haben zahlreiche Todesopfer gefordert und bislang über 300’000 Menschen zur Flucht aus ihren Dörfern gezwungen. Trotz der Präsenz internationaler Militärmissionen und der malischen Streitkräfte hat sich die Gewalt bis ins Zentrum des Landes ausgebreitet. Die Projektregion um San, wo Mariama und Daouda Coulibaly leben, ist derzeit nicht betroffen; das Projektteam kann sich dort frei bewegen. Doch die Situation ist angespannt.

Wie wir Menschen in Mali unterstützen

Helvetas engagiert sich in Mali für die Integration von Jugendlichen im Arbeitsmarkt, ein besseres Bildungswesen und sauberes Trinkwasser.