Sauberes Trinkwasser | © Keystone/Melanie Duchene

Gesundheit braucht sauberes Wasser

Das Recht auf sauberes Trinkwasser darf keine Grenzen kennen
VON: Geert van Dok - 07. Mai 2021
© Keystone/Melanie Duchene

Der Klimawandel bedroht die Gesundheit der Menschen weltweit. Ein zentraler Faktor ist dabei die Trinkwasserqualität. In der Schweiz wollen zwei Volksinitiativen einen umfassenden Schutz der Biodiversität und eine umweltschonende, pestizidfreie Landwirtschaft, um die Qualität des Trinkwassers sicherzustellen. Doch der Einsatz für sauberes Wasser darf nicht an der Grenze haltmachen.

Der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht. Sauberes Trinkwasser und Hygienevorkehrungen sind lebenswichtig, aber alles andere als selbstverständlich – eine Binsenweisheit für jene, die im globalen Süden leben oder dort arbeiten. Allzu oft steht armen Menschen nur verschmutztes und verseuchtes Wasser aus zweifelhaften Quellen, Teichen oder Flüssen zur Verfügung. Verunreinigtes Trinkwasser und mangelnde Hygiene führen zu Krankheiten wie Cholera, Durchfall, Malaria und Darmwürmern. Noch immer haben laut UNICEF 785 Millionen Menschen keinen Zugang oder nur ungenügend sauberes Trinkwasser. Das sind rund zehn Prozent der Weltbevölkerung. Und die WHO schätzt, dass jedes Jahr über 800’000 Menschen an Durchfallerkrankungen als Folge von verschmutztem Trinkwasser, unsauberen sanitären Anlagen und fehlender Handhygiene sterben.

Entwicklungsorganisationen wie Helvetas engagieren sich daher in ihren Einsatzgebieten seit vielen Jahren für einen gesicherten Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. Nur damit bleiben Menschen gesund, können Kinder in die Schule gehen und Bauernfamilien für ihren Lebensunterhalt sorgen. Aufgrund der gravierenden Auswirkungen des Klimawandels und der Corona-Pandemie ist dieses Ringen um Gesundheit und um den Zugang zu sauberem Wasser noch anspruchsvoller geworden.

Gesundheitsschädlicher Klimawandel

Kein Land ist gefeit vor den gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Klimawandels. Dies zeigt eine neue Publikation der «Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz»: «Hitzewellen, extreme Wetterereignisse und neuartige Infektionskrankheiten bedrohen Leben und Gesundheit unserer Bevölkerung. Weltweit aber sind die Auswirkungen von Dürren, Waldbränden, durch den Anstieg des Meeresspiegels sowie die Probleme mit der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung noch viel bedrohlicher.» Auch der aktuelle Bericht des Lancet Countdowns zu Gesundheit und Klimawandel dokumentiert dies: Der CO2-intensive Lebensstil reicher Länder führt zu einer Verschlechterung der Luft-, Wasser-, Lebensmittel- und Wohnqualität, was die Gesundheit benachteiligter Bevölkerungsgruppen besonders bedroht. Dies werfe die Frage nach Gerechtigkeit auf, «da der Klimawandel mit bestehenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten in Wechselwirkung tritt und langfristige Trends in und zwischen Ländern verschärft».

Die Corona-Pandemie verstärkt und beschleunigt die gesundheitliche Bedrohung zusätzlich. Umso mehr, so hält der Bericht fest, müssen die Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens ihre Corona-Strategien mit ihren nationalen Klimaschutzzielen (National Determined Contributions, NDC) verknüpfen. Denn, «wenn die globale Erholung von COVID-19 nicht mit der Antwort auf den Klimawandel in Einklang steht, wird die Welt das im Pariser Abkommen festgelegte Ziel nicht erreichen und die öffentliche Gesundheit kurz- und langfristig schädigen». Es brauche eine internationale Politik, die den verschiedenen Herausforderungen gerecht werde, der Stärkung der Gesundheitssysteme Priorität einräume, in lokale Gemeinschaften investiere und für saubere Luft, sicheres Trinkwasser und nahrhafte Lebensmittel sorge. Eine solche Politik im Interesse aller schaffe die Grundlagen dafür, dass sich künftige Generationen nachhaltig entwickeln können.

Die Schweiz und ihr Trinkwasser

Der Klimawandel kümmert sich nicht um nationale Grenzen, bedroht auch im Wasserschloss Schweiz langfristig die Versorgung mit sauberem Wasser und führt zu unberechenbaren gesundheitlichen Risiken. Verschärft werden diese Risiken unter anderem durch die in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzten synthetischen Pestizide und deren Abbauprodukte, die via Böden und Gewässer im Trinkwasser landen, die Umwelt belasten und die Biodiversität gefährden. Durch die intensive Nutztierhaltung gelangt zu viel Gülle und Ammoniak in Böden und Gewässer, was zu erheblichen Nitratbelastungen im Grund- und Trinkwasser führt. Ammoniak in der Luft belastet ausserdem unsere Lungen mit Feinstaub und schadet dem Klima.

Auch der prophylaktische Antibiotikaeinsatz birgt Gefahren. Er fördert die Entwicklung antibiotikaresistenter Bakterien, die zu den grössten Bedrohungen für die Gesundheit der Bevölkerung zählen. Via Gülle und Mist gelangen die Medikamentenüberreste auf landwirtschaftlich genutzte Flächen und damit auch in Nahrungsmittel und Trinkwasser.

Diese Risiken sind längst bekannt, werden aber von der Bundesverwaltung eher zögerlich angegangen. Im September 2017 verabschiedete der Bundesrat zwei Aktionspläne. Doch die Massnahmen im Aktionsplan Pflanzenschutzmittel des Bundesamts für Landwirtschaft erachten viele Fachleute als «ambitionslos» beziehungsweise «praktisch wirkungslos». Daran hat sich auch mit den letztjährigen Aktualisierungen der Massnahmen nichts geändert. Und der Aktionsplan zur Strategie Biodiversität Schweiz des Bundesamts für Umwelt weise «bedeutende Lücken» auf und komme für den Schutz der Ökosysteme und die Gesundheit von Mensch und Tier schlicht zu spät.

Die beiden Volksinitiativen, über die am kommenden 13. Juni abgestimmt wird, haben den Streit um die langfristige Sicherstellung des sauberen Grund- und Trinkwassers auf die politische Bühne gehoben. Die «Initiative für sauberes Trinkwasser» will eine Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser sicherstellen. Insbesondere sollen nur noch Landwirtschaftsbetriebe mit Direktzahlungen oder Subventionen unterstützt werden, die pestizidfrei produzieren, in ihrer Tierhaltung ohne prophylaktischen Antibiotikaeinsatz auskommen und den eigenen Tierbestand mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernähren können.

Die «Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» will den Einsatz künstlicher Pflanzenschutzmittel in der Schweiz verbieten, in der Agrarproduktion ebenso wie in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte und in der Boden- und Landschaftspflege. Zudem soll – im Unterschied zur Trinkwasserinitiative – die Einfuhr von Lebensmitteln, die synthetische Pestizide enthalten oder mithilfe solcher hergestellt wurden, verboten werden. Befeuert wird der Abstimmungskampf zusätzlich von den Sorgen wegen des Klimawandels und dem damit verbundenen dringenden Handlungsbedarf.

Nationaler Fokus genügt nicht

Helvetas teilt – ausgehend von ihrer langjährigen Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit – die Sorgen der Initiantinnen und Initianten bezüglich der schwindenden Qualität des Trinkwassers und des Einsatzes von Pestiziden. Doch sind beide Initiativen ganz oder weitgehend auf die Schweiz fokussiert. Die besorgniserregende Situation im globalen Süden kommt darin nicht vor, weshalb Helvetas auf eine Abstimmungsempfehlung verzichtet. Zumal sie die nationalen Auswirkungen der einzelnen Bestimmungen zu wenig einschätzen kann.

Das Fehlen einer internationalen Perspektive wird den Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung nicht gerecht und kann ihnen sogar entgegenlaufen. Die Agenda will bis 2030 «den allgemeinen und gerechten Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser für alle erreichen» (Ziel 6.1), «die Wasserqualität durch Verringerung der Verschmutzung, Beendigung des Einbringens und Minimierung der Freisetzung gefährlicher Chemikalien und Stoffe, Halbierung des Anteils unbehandelten Abwassers und eine beträchtliche Steigerung der Wiederaufbereitung und gefahrlosen Wiederverwendung weltweit verbessern» (6.3) und dabei speziell «die Unterstützung der Entwicklungsländer beim Kapazitätsaufbau […] ausbauen» (6.a). Daran muss sich die Schweiz auch bei ihren nationalen politischen Massnahmen messen lassen. Nur vor der eigenen Haustüre zu kehren, wie es die Initiativen verlangen, genügt nicht.