COP30 | © Keystone/CHRISTOPHER NEUNDORF

Der lange Weg nach Belém

Rückblick auf Erfolge von Klimakonferenzen
VON: Patrik Berlinger - 05. November 2025
© Keystone/CHRISTOPHER NEUNDORF

Von der ersten Konferenz 1972 bis heute: Der Weg der internationalen Klimapolitik ist immer wieder steinig, aber auch geprägt von Konsens und bahnbrechenden Fortschritten. Nun steht die 30. Klimakonferenz an, während globale Kipp-Punkte bedrohlich näher rücken. Die Staaten müssen liefern – und sie können es, wie dieser Rückblick zeigt.

Die erste grosse Konferenz der UNO zu globalen Umweltfragen fand 1972 in Stockholm statt. Die Ölkonzerne wussten damals bereits erstaunlich genau, welchen Schaden fossile Energie anrichten wird. Sie hielten aber die Erkenntnisse zur fossil-verursachten Erderwärmung bewusst unter dem Deckel und streuten immer wieder Zweifel an der Klimawissenschaft.

Es brauchte Zeit, das Klimadenken zu verankern. Ein erster Erfolg gelang der Weltgemeinschaft 1987 mit dem Montreal-Protokoll: Das globale Abkommen verbot Chemikalien zum Schutz der Ozonschicht. Im Folgejahr wurde der Weltklimarat IPCC gegründet, der 1990 seinen ersten Sachstandsbericht veröffentlichte. Die zentrale Aussage lautete: Zur Bekämpfung des Klimawandels bedarf es internationaler Zusammenarbeit. Klingt heute trivial, ist aber nach wie vor zentral.

Der grosse Durchbruch gelang der UNO 1992 in New York mit der Verabschiedung der Klimarahmenkonvention UNFCCC. Diese ist bis heute der zentrale internationale Vertrag, um die Erderwärmung zu bremsen und die Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Erstmals wurden für die Industrieländer verbindliche Ziele zur Emissionsminderung festgelegt.

Auch 1992 fand der wegweisende Erdgipfel («Earth Summit») in Rio de Janeiro mit Politikern, Diplomatinnen, Wissenschaftler:innen, Medien und NGOs aus 179 Ländern statt. Parallel dazu lief das «Globale Forum» der Zivilgesellschaft, an dem NGOs ihre Vision einer gerechten, tragfähigen Zukunft vorstellten. Der «Erdgipfel» führte das zur damaligen Zeit revolutionäre Konzept der wirtschaftlich, sozial und ökologisch «nachhaltigen Entwicklung» ein und brachte neue Sichtweisen aufs Tapet auf die Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren, wie wir leben und arbeiten und wie wir Entscheidungen treffen. Die Konferenz mündete in der «Rio Declaration», welche vorausschauend schon damals eine Agenda21 einführte, um die Welt auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten.

Vom Brandenburger Tor zum Eiffelturm

Die erste offizielle Weltklimakonferenz fand 1995 in Berlin statt. Sie ging als «COP1» (Conference of the Parties) in die Geschichte ein und schuf die Basis für das Kyoto-Protokoll, das 1997 beschlossen wurde. Dieses verpflichtete Industrieländer erstmals auch rechtlich zu Emissionsreduktionen: Während die Länder ihre Ziele zwar in erster Linie durch inländische Massnahmen erreichen sollten, konnten sie neu auch marktbasierte Mechanismen wie den Clean Development Mechanism nutzen. Doch, noch bevor «Kyoto» 2005 in Kraft trat, stiegen die USA wieder aus der Vereinbarung aus. Der damalige Präsident Georg W. Bush störte sich daran, dass Industrienationen bei der Reduktion des Treibhausgas-Ausstosses mehr tun mussten als Entwicklungsländer. Auf der anderen Seite des Atlantiks beschlossen die europäischen Länder das Emissionshandelssystem der EU. Mit dem EU-EHS wollte und will die EU noch heute auf dem Verursacherprinzip die CO2-Emissionen im Industriesektor mittels finanzieller Anreize und dem Handel von Emissionsrechten (Zertifikate) im Industriesektor verringern.

2007 wurde mit dem vierten Sachstandsbericht der bis dato umfassendste und detaillierteste UN-Bericht zum Klimawandel verfasst. Die zentrale Aussage: Der Klimawandel ist eindeutig und belegt, verursacht durch die fossile Wirtschaft, also menschengemacht. In Reaktion darauf wurde 2010 ein umfassendes Paket verabschiedet, um Entwicklungsländer bei der Bewältigung des Klimawandels mit Geldern zu unterstützen, die 2020 jährlich mindestens 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassung erreichen sollten. Zentraler Bestandteil wurde der sog. Green Climate Fund.

2014 folgte der fünfte Sachstandsbericht, der davor warnte, dass mit der Klimaveränderung schwere und unumkehrbare Auswirkungen auf Menschen und Ökosysteme wahrscheinlicher werden. Er schuf die wissenschaftliche Grundlage für das bahnbrechende, rechtsverbindliche und an der COP21 2015 beschlossene Pariser Klimaabkommen: Die Durchschnittstemperatur soll damit auf deutlich unter 2 Grad gegenüber vorindustriellen Werten begrenzt werden, wobei ein maximaler Anstieg auf 1,5 Grad angestrebt wird. Das Abkommen beinhaltet die Anpassung an den Klimawandel, eine klimaverträgliche Ausrichtung aller Finanzströme sowie die finanzielle und anderweitige Unterstützung von Entwicklungsländern inklusive Technologietransfers und Kapazitätsaufbau.

Auf den Schock folgte der Klimanotstand

2017 traten die USA unter dem damaligen Präsidenten Donald J. Trump aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Es war ein Schock, zeigte doch der 2018 veröffentlichte Sonderbericht 1,5 Grad, wie unumkehrbar und verheerend die Klimafolgen sind, sollte das Pariser Klimaziel verfehlt werden. Während sich die stärkste Wirtschaftsnation von der Klimapolitik verabschiedete, erklärte das Europäische Parlament den «Klimanotstand». Ab sofort sollte die EU-Kommission gewährleisten, dass neue Gesetzesvorschläge mit dem 1,5-Grad-Ziel übereinstimmen. Daraufhin beschloss die Kommission 2019 den Green Deal zur sozial verträglichen Umgestaltung von Wirtschaft, Energieversorgung, Verkehr und Industrie – mit dem Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55% zu senken, damit Europa bis spätestens 2050 klimaneutral wird.

2021 brachte Präsident Joe Biden die USA zurück an den klimapolitischen Verhandlungstisch. Die Welt atmete auf und in Glasgow einigte sich die Staatengemeinschaft auf das Ziel der «Klimaneutralität», die Aufstockung der Mittel für gefährdete Entwicklungsländer und das Runterfahren von Investitionen in neue Öl- und Gasprojekte. Doch sie konnte sich nicht auf einen klaren Ausstieg aus der Kohlenutzung einigen. 2022 wurde in Sharm el-Sheikh der Loss & Damage-Fund beschlossen, mit dem vulnerable Länder bei der Bewältigung von Schäden und Verlusten durch Extremwetterereignisse wie Stürme und Sturzfluten rasche, unkomplizierte Unterstützung erhalten. Bislang sind die finanziellen Mittel, die einige wenige Länder in den Fonds einzahlen, weit unter den Erwartungen und absolut ungenügend.

2023 einigten sich die Regierungen in Dubai auf eine Verdreifachung der erneuerbaren Energien und eine Verdoppelung der Energieeffizienz bis 2030 (Transition away from fossil fuels). Schliesslich wurde 2024 in Baku (Aserbaidschan) eine Verdreifachung der internationalen Klimafinanzierung auf 300 Milliarden ab 2035 vereinbart. Es war das Minimalziel. Doch selbst das aktuell gültige 100-Milliarden-Ziel ist derzeit noch ausser Reichweite. Der tatsächliche Wert der bereitgestellten Mittel beläuft sich auf lediglich rund 35 Milliarden US-Dollar, da zwei Drittel der Klimafinanzierung nicht als Zuschüsse (Grants), sondern als rückzahlbare Darlehen (Loans) gewährt werden. Damit werden zwar wichtige, nachhaltige Projekte unterstützt, gleichzeitig verschärft sich jedoch die ohnehin hohe Verschuldung der Entwicklungsländer. Kommt hinzu, dass selbst die bislang geleisteten Beiträge nicht «neu und zusätzlich» zur Entwicklungszusammenarbeit sind, sondern aus dieser heraus finanziert werden. Auch wenn es zwischen Klima- und Entwicklungsprioritäten Synergien gibt: Mit der Erderhitzung steigen die Kosten für verbesserte Infrastruktur, klimaangepasste Landwirtschaft, E-Mobilität, Katastrophen-Prävention und Wiederaufbau, Waldschutz und Wiederaufforstung, die weit über die ursprüngliche Armutsbekämpfung hinaus gehen.

Der lange Weg nach Belém

Im Vorfeld der bevorstehenden COP30 im brasilianischen Belém vom 10. bis 21. November 2025 warnte die Weltorganisation für Meteorologie WMO vor der höchsten je gemessenen CO2-Konzentration in der Atmosphäre und nennt als Ursachen neben den menschengemachten Emissionen auch zunehmende Wald- und Buschbrände. Zugleich können Wälder und Ozeane immer weniger CO2 aufnehmen – ebenfalls eine Folge des Klimawandels.

Während die 1,5 Grad Marke bereits überschritten ist, überschatten geopolitischen Spannungen die weltweiten Bemühungen im Klimaschutz. Zwar rufen NGOs, die Klimawissenschaft und viele Länder zu ambitionierten Massnahmen auf, doch eine lamentable Gegenbewegung unter der Führung populistischer Entscheidungsträger und eine wachsende Zahl konservativer Thinktanks, Forschungsinstitute, Wirtschaftsverbände, Stiftungen setzt sich aktiv gegen die Klimawissenschaft und -politik ein. Trotz aller wirtschaftlichen und ökologischen Argumente für erneuerbare Energien bleibt die Produktion und Nutzung von Öl, Gas und Kohle viel zu hoch. Und ausgerechnet Brasilien erteilte kurz vor der hauseigenen COP neue Ölbohr-Lizenzen im Amazonas.

Die Regierungen müssen die Welt auf der COP30 auf Kurs bringen hin zu einer «Just Transition», einem gerechten Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Wandel, der weit über den Energiesektor hinausgeht, und nebst erneuerbare Energiequellen die Kreislaufwirtschaft, E-Mobilität, CO2-arme Bauwirtschaft, ökologische Landwirtschaft, nachhaltige Ernährungssysteme und die Artenvielfalt fördert. Voraussetzung dafür sind ernsthafte nationale Klimapläne (NDC) – keine Priorität für die meisten Staaten. Deshalb steuert die Welt derzeit auf eine Erhitzung um durchschnittlich 2,6 Grad zu.

Für die Schweiz gibt es keine Ausrede: Sie kann, sie muss – nicht zuletzt im eigenen Interesse – einen ambitionierten Klimaplan verfolgen, wobei sie weniger stark auf (zweifelhafte) Auslandkompensation in ärmeren Ländern setzen sollte. Die Schweiz kann und muss ihre Beiträge an die internationale Klimafinanzierung erhöhen und am neuen 300-Milliarden-Ziel ausrichten. Dafür sollte sie sozial verträgliche und verursachergerechte Abgaben z.B. auf sehr hohe Vermögen, auf Gewinne im fossilen Rohstoffhandel, auf Finanztransaktionen in fossile Branchen oder auf private Flüge einführen. Und die Schweiz sollte sich offiziellen internationalen Initiativen anschliessen, die sich für die Umsetzung von Klimagerechtigkeit einsetzen – etwa der «Global Solidarity Levies Task Force», die an der COP30 ihre Vorschläge präsentieren wird.

Patrik Berlinger | © Maurice K. Gruenig
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