Nachruf Peter Arbenz

Zum Tod von Peter Arbenz: Eine wichtige Stimme in der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit ist verstummt.
06. September 2023

Wir trauern um Peter Arbenz. Peter Arbenz hat Helvetas als Geschäftsleiter von 1969 bis 1973 und als Präsident von 2001 bis 2012 entscheidend mitgeprägt. Sein Engagement hatte seine Wurzeln sicher in der politisch engagierten Familie, die sich auch für Flüchtlinge einsetzte und immer wieder die Ungerechtigkeiten der Welt thematisierte. Er sagte von sich, er habe eigentlich schon als Kind gewusst, dass er sich für die einsetzen wollte, die weniger privilegiert sind. 

Die bewegte Geschichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg wühlte den jungen Peter Arbenz so sehr auf, dass der 20-Jährige für das IKRK nach Ungarn ging, um Familien dabei zu unterstützen, ihre geflüchteten Angehörigen zu finden. Ein Auslandsemester in London erschütterte sein Afrikabild: Die Gespräche mit Kommiliton:innen aus Ostafrika zeigten ihm, dass es da viele Probleme gab, die in seinem Bild nicht vorkamen. Er reiste darum selbst nach Afrika, wie er im Buch «Die andere Seite der Welt. Was Schweizerinnen und Schweizer im humanitären Einsatz erlebt haben» schilderte. 

Die Eindrücke aus Ungarn, London und Afrika verstärkten sein Interesse für Entwicklungszusammenarbeit. Und hier beginnt die gemeinsame Geschichte von Peter Arbenz und Helvetas. Er wurde Vorstandsmitglied der Ortsgruppe Winterthur, ein freiwilliges Engagement, um «den Winterthurern die globalen Entwicklungsprobleme näherzubringen». 

1962 stellte ihn Helvetas, damals hiess die Organisation noch Schweizerisches Hilfswerk für aussereuropäische Gebiete (SHAG), als Auslandssekretär an. Ein halbes Jahr später fand er sich samt junger Familie in Tunesien wieder, um ein Berufsbildungsprojekt zu leiten. In Werkstätten für Elektro- und Sanitärinstallateure, Mechaniker, Schlosser und Landwirte wurden junge Waisen – allesamt Männer – ausgebildet. Peter Arbenz leitete erstmals ein Team und musste innert kürzester Zeit logistische und betriebswirtschaftliche Verantwortung übernehmen. «Diese Aufgabe war mein Crashkurs in Projektmanagement», erklärte er zurückblickend.  

Tunesien war damals eine Diktatur, was aber für Helvetas kein Grund war, auf Entwicklungszusammenarbeit zu verzichten. Schon zu dieser Zeit verstand Helvetas Entwicklungshilfe auch als politische Arbeit, bei der es darum ging, Menschen zu bestärken, ihr Schicksal und das ihres Landes selbst zu gestalten. Deshalb galt Helvetas bei manchen als «linke» oder «revolutionäre» Organisation. Peter Arbenz bot dieser Einschätzung sowohl als Geschäftsleiter (1969-1973) als auch als Präsident des Zentralvorstandes (2001-2012) die Stirn: Ihm war wichtig, dass sowohl Leitung als auch Vereinsbasis immer politisch ausgewogen waren. 

Peter Arbenz in Nepal. Foto undatiert

Peter Arbenz stand für einen weltoffenen Freisinn und unterstützte unter anderem auch die Konzernverantwortungsinitiative. Für den Ökonomen war immer klar, dass die Wirtschaft keine Quelle für «den eigenen Mammon» ist, wie er einst sagte, sondern ein Mittel, «um sozial gerechtere Verhältnisse zu schaffen». Das Wohlergehen der Menschen in den Ländern des Globalen Südens bedeutete ihm viel. Sein unermüdlicher Einsatz zeigte exemplarisch, dass das Engagement für Menschen, die weniger Privilegien haben, einer zutiefst menschlichen Grundhaltung entspringt, unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Er hatte ein differenziertes Verständnis für globale Zusammenhänge und eine festverwurzelte Überzeugung für soziale Gerechtigkeit – Wesenszüge, die gerade in der heutigen zunehmend polarisierten Zeit wichtig sind und an denen sich Helvetas seit ihren Anfängen orientiert. 

Von 1964 bis 1967 arbeitete Peter Arbenz für die Deza (damals DFTZ – Dienst für technische Zusammenarbeit) in Nepal für die Wiedereingliederung tibetischer Flüchtlinge, ein humanitäres Engagement des IKRK, das die Schweiz mithilfe von Peter Arbenz in ein langfristiges Projekt der Entwicklungszusammenarbeit überführte – und das sehr erfolgreich. Trotzdem verfiel Peter Arbenz nie der Illusion, Entwicklungszusammenarbeit allein könne ein Land verändern. Er war vielmehr überzeugt davon, dass punktuelle Interventionen landesweite Ausstrahlung entfalten können.  

1969 wurde Peter Arbenz Geschäftsleiter von Helvetas. In seiner Zeit fasste Helvetas Fuss in Lateinamerika. In Afrika suchte Helvetas Partnerorganisationen in weiteren Ländern, denn schon damals engagierte sich die Organisation nur in einem Land, wenn sie verlässliche lokale Partner vor Ort fand.  

Peter Arbenz 2008 in Benin im Gespräch über Wasser mit Dorfbewohnern

Nach seiner Geschäftsleitungstätigkeit machte Peter Arbenz einen Abstecher in die Privatwirtschaft und wurde auch politisch aktiv. Für die FDP war er Stadtrat und Bauvorsteher von Winterthur. Zugleich sass er im Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, dem strategischen Leitungsorgan des IKRK. Unter Bundesrätin Elisabeth Kopp wurde er Flüchtlingsdelegierter, später Direktor des damaligen Bundesamtes für Flüchtlinge.  

Migrationsthemen waren damals noch nicht auf dem Radar von Helvetas. Mit seiner Wahl zum Präsidenten des Zentralvorstandes 2001 änderte sich das. Denn Peter Arbenz war überzeugt, dass Entwicklungszusammenarbeit migrationshemmend wirkt. Wer in seinem Land eine Existenz aufbauen könne, wer dank sauberem Wasser gesunde Kinder habe, sei nicht gezwungen auszuwandern. Und doch sah er klar, dass Migration als weltweites Phänomen nicht verhindert werden könne. Er verstand, dass auch die Schweiz auf Einwanderung angewiesen ist, um ihren Wohlstand zu erhalten. In seiner Zeit als Präsident erweiterte Helvetas ihre strategischen Themen. Menschenrechte, Chancengleichheit und die Gleichstellung der Geschlechter erhielten in der Projektarbeit mehr Gewicht. Zudem baute Helvetas damals Projekte in den Arbeitsfeldern «Zivilgesellschaft und Staat» sowie «friedliche Konfliktregelung» auf. Themen und Arbeitsgebiete, die heute aus der Arbeit von Helvetas nicht mehr wegzudenken sind.  

Der Höhepunkt seiner Präsidentschaft war der erfolgreiche Zusammenschluss von Helvetas mit Intercooperation. In der Überzeugung, dass die beiden Organisationen gemeinsam mehr erreichen können, verhandelte Peter Arbenz mit dem damaligen Präsidenten von Intercooperation, Elmar Ledergerber, kompromissbereit und erfolgreich das Zusammengehen der beiden Organisationen. Nach der vollendeten Fusion übernahm Elmar Ledergerber das Präsidium der neuen Organisation, während sich Peter Arbenz aus dem Vorstand zurückzog.  

Als Ehrenpräsident von Helvetas blieb Peter Arbenz eine wichtige Stimme in der Schweizer Entwicklungspolitik, die von allen politischen Lagern gehört wurde. Unter anderem setzte er sich für mehr öffentliche Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit ein. Es war ihm ein Anliegen, dass die Schweiz sich international nicht hinter ihrer Neutralität versteckt. Staatspolitische Grundsätze wie Solidarität, Engagement und Weltoffenheit waren für ihn unverhandelbar. Er hat jenen stets die Stirn geboten, die Entwicklungszusammenarbeit grundsätzlich in Frage stellen wollten. Denen, die kritisierten, die Schweizer Gelder dafür seien nur ein Tropfen auf den heissen Stein, erwiderte er: «Aber man kann auch mit vielen Tropfen einen heissen Stein kühlen.» 

Peter Arbenz in Benin. Er war ein brillianter Stratege, aber auch ein leidenschaftlicher Macher.

Peter Arbenz setzte sich zeitlebens für eine bessere Welt ein. Er war überzeugt davon, dass Entwicklungszusammenarbeit zum Frieden beiträgt. Für ihn gab es stets verschiedene Wege, ein gemeinsames Ziel zu erreichen, solange dabei die Menschen im Zentrum stehen. Er engagierte sich für die Menschen – hier in der Schweiz und in den Ländern des Globalen Südens. 

Wir verlieren mit Peter Arbenz einen hochgeachteten, aber auch kritischen Verbündeten, der sich unermüdlich für Helvetas und die Ziele der Organisation einsetzte. Wir sind ihm zu grossem Dank verpflichtet und werden ihm für seine vielfältigen Verdienste für unsere Organisation ein ehrendes Andenken bewahren. Seinen Angehörigen sprechen wir unser herzliches, tiefempfundenes Beileid aus.