Nachgefragt: 4 Antworten von unseren neu gewählten Zentralvorstands-Mitgliedern

Samstag, 15. Juni 2019: Im Rahmen der Generalversammlung wurden Hansi Voigt, Erna Karrer-Rüedi, Ueli Winzenried und Angelo Gnädinger neu in den Zentralvorstand gewählt. Wir haben den erfahrenen Fachpersonen je vier Fragen gestellt.  

Medienunternehmer Hansi Voigt ist Partner bei dasnetz.ch, davor war er Chefredaktor 20Minuten Online, sowie Gründer und Chefredaktor des Newsportals watson.ch. Hans Voigt studierte Geschichte an der Universität Zürich und hat eine lange Karriere in der Schweizer Medienbranche hinter sich. Er ist einer der führenden Köpfe der Schweiz im Bereich digitale Transformation in der Kommunikationsbranche und verfügt über grosse Erfahrung im Bereich Branding und Unternehmenspositionierung.

1. Was motiviert Sie, als Zentralvorstandsmitglied für Helvetas zu arbeiten?

Ich finde es wichtig, was Helvetas macht, und glaube, dass ein reiches Land wie die Schweiz gerade bezüglich Entwicklungszusammenarbeit viel tun kann und muss. Wir können uns nicht über Flüchtlingsströme beklagen und darauf nur mit höheren Mauern und Zäunen reagieren. Helvetas leistet an vielen Orten sehr konkrete Hilfe zur Selbsthilfe und geht auch unbequeme politische Fragen konstruktiv an. Das gefällt mir.

2. Welche Erfahrungen bringen Sie mit aus dem Bereich Entwicklungszusammenarbeit?

Mein Ausweis als konkreter „Entwicklungshelfer“ ist, bis auf ein paar regelmässige Einzahlungen, bescheiden. Das soll nicht auf Desinteresse an der Entwicklungszusammenarbeit hinweisen. Im Gegenteil. Mein bester Freund arbeitet seit Jahrzehnten in der Humanitären Hilfe, und ich habe verschiedene Projekte von ihm besucht und war immer schwer beeindruckt. Ich hätte nur bis jetzt gar nicht gewusst, wie ich mich hätte nützlich machen können. Entsprechend interessiert und erfreut war ich an der Anfrage. Wenn ich jetzt meine Kenntnisse und Erfahrungen einbringen kann, tue ich das gerne.

3. Sie sind Medien- und Digitalkommunikationsprofi: Wie gut kommuniziert Helvetas Ihrer Meinung nach?

Ich hatte vor zwei Jahren mal ein kurzes Rencontre mit der Helvetas-Kommunikationsabteilung. Ich hatte ein Helvetas-Plakat, das meiner Meinung nach ein verstaubtes Afrika-Bild transportierte, auf den Sozialen Medien kritisiert. Es folgte zu meiner Überraschung fast so etwas wie ein kleiner Shitstorm – was mir hinterher leidtat. Allerdings hat die Helvetas-Kommunikationsabteilung sehr offen und dialogisch reagiert und so aus der „Krise“ eine Chance gemacht. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich nütze das Beispiel heute noch an anderen Stellen. Es ist ein sehr gutes Zeichen für die Firmenkultur, wenn eine Organisation so offen und dezentral in den Dialog treten kann.

4. Wo sehen Sie Herausforderungen und Chancen für Helvetas?

Wir erleben gerade eine junge Generation, die in globalen Kontexten denkt, nicht bloss national oder egoistisch, und nachhaltige Verantwortung einfordert. In Zukunft geht es noch mehr um Fairness und Nachhaltigkeit, zum Beispiel darum, dass alle für ihre Leistungen anständig bezahlt werden. Sowohl technologisch als auch gesellschaftlich wird es möglich sein, eine neue Kostenwahrheit zu fordern und durchzusetzen. Hierin liegt eine grosse Chance.

Angelo Gnädinger ist Jurist mit langjährigen Erfahrungen in der Humanitären Hilfe: Nach dem Studium war er einige Jahre Untersuchungsrichter in Schaffhausen. Ab 1984 engagierte er sich für das IKRK im Nahen Osten und im südlichen Afrika, bevor er als verantwortlicher Leiter die Schutz- und Hilfsaktionen des IKRK in zahlreichen Krisenregionen koordinierte. Danach war er von 2002 bis 2010 als Generaldirektor des IKRK tätig. Später arbeitete er im Bereich der politischen Mediation, unter anderem für das Genfer Centre for Humanitarian Dialogue und als OSZE-Sonderbeauftragter für den südlichen Kaukasus. Heute ist Angelo Gnädinger Stiftungsrat bei Cinfo und Swisspeace.

1. Was motiviert Sie, als Zentralvorstandsmitglied für Helvetas zu arbeiten?

Ich möchte die Erfahrungen, die ich in der humanitären Arbeit gesammelt habe, mit dem Entwicklungsansatz von Helvetas verbinden - hoffentlich nutzbringend. Während meines langjährigen Engagements in der humanitären Arbeit wurde mir zunehmend bewusst, dass die Nothilfe und die Entwicklungsarbeit entschieden intensiver zusammenarbeiten sollten. In zahlreichen strukturschwachen, krisenanfälligen Ländern wie auch in langjährigen ungelösten Konfliktsituationen fallen die Entwicklungsperspektive und die Krisenintervention oft komplett zusammen.

2. Was interessiert Sie an der Entwicklungszusammenarbeit besonders?

Die Entwicklungszusammenarbeit ist für mich das positive Gesicht der Globalisierung. Sie bringt zum Ausdruck, dass wir über alle politischen, geographischen und kulturellen Schranken hinweg zusammenarbeiten müssen, wenn wir unseren Planeten in seiner ganzen Vielfalt erhalten und auch für künftige Generationen lebenswert machen wollen.  

3. Sie bringen reiche Erfahrungen in internationaler Zusammenarbeit mit. Was zeichnet Helvetas Ihrer Ansicht nach aus?

Helvetas hat über die Jahrzehnte als Entwicklungsorganisation eine überzeugende Erfolgsgeschichte aufgebaut, und hat neue Entwicklungen und Herausforderungen mit einer beeindruckenden dynamischen Kontinuität aufgenommen und integriert. So hat Helvetas gelernt, mit Ansprechpartnern in aller Welt Beziehungen auf Augenhöhe zu entwickeln.

4. Wo sehen Sie Herausforderungen und Chancen für Helvetas?

Ich sehe im Paradigmenwechsel von der Entwicklungshilfe zur globalen Entwicklungszusammenarbeit eine enorme Herausforderung. Auch wir im saturierten Westeuropa haben grossen „Entwicklungsbedarf“: Wir müssen unsere zwanghafte Wachstumsgläubigkeit überwinden und den Weg zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft finden. Dies kann nur durch einen konzertierten fundamentalen Wandel bewirkt werden, wie er ansatzweise in der Agenda 2030 der UNO angesprochen ist. Für Helvetas beinhaltet dies dank ihres reichen Erfahrungsschatzes auch eine grossartige Chance.

Als Geschäftsführerin und Stiftungsratspräsidentin der EoS Entrepreneur Foundation engagiert sich Dr. Erna Karrer-Rüedi für die Förderung von Social Entrepreneurship, unter anderem in Lateinamerika. Nach dem Studium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich forschte sie an der Johns Hopkins und an der Yale University. Auch in ihrer späteren Tätigkeit in der Privatwirtschaft engagierte sie sich in zukunftsweisenden und innovativen Fachbereichen in Amerika und in Westeuropa. Insgesamt bringt sie über 25 Jahre internationale Erfahrung in Beratung sowie Umsetzung nachhaltiger Entwicklung und sozialverantwortlicher Finanzierung mit. Zudem ist Erna Karrer bei Innosuisse als Expertin und Beraterin mit Fokus auf Sozialunternehmertum und Business Management tätig.

1) Was motiviert Sie, als Zentralvorstandsmitglied für Helvetas zu arbeiten?

Helvetas unterstützt soziale, wirtschaftliche und ökologische Entwicklungsanliegen durch basisorientierte Entwicklungsprogramme und professionelle Beratung im Sinne der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Helvetas hat eine kompetente Geschäftsleitung, die proaktiv die globalen nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) zur Steuerung ihrer Entwicklungsorganisation einbezieht. Als Vorstandsmitglied sehe ich meine Motivation und Aufgabe darin, mit Weitsicht und Engagement unterstützend zu wirken und mit meiner Erfahrung aus Wissenschaft, Wirtschaft und gemeinnützigen Organisationen einen Beitrag zu gesellschaftlicher Transformation zu leisten.

2) Welche Erfahrungen bringen Sie mit aus dem Bereich internationale Zusammenarbeit?

Meine langjährige Forschungs- und Beratungsarbeit in zukunftsweisenden, innovativen Fachbereichen, spezifisch in Social Entrepreneurship als Change Agent für soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit, bringt wesentliche Aspekte in die internationale Zusammenarbeit ein. Meine Erfahrung zeigt auch, dass in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit die Optimierung von limitierten Ressourcen ebenso zentral ist wie das Vermitteln zwischen entgegenwirkenden Kräften. Es ist wichtig, der Komplexität gerecht zu werden, und entsprechend zu differenzieren.

3) Sie sind Expertin und Beraterin unter anderem für sozial-verantwortliche Investments und engagieren sich für Frauenförderung. Wo steht Helvetas Ihrer Meinung nach in diesen Bereichen?

Sozial-verantwortliches Investment heisst ja primär, dass mit Investmentkapital kein gesellschaftlicher Schaden angerichtet wird; positiv formuliert, dass sozial-verantwortliches Investment trotz knappen verfügbaren Ressourcen für positive Wirkung (Impact) eingesetzt wird. Zudem sollen die unterschiedlichen Stakeholder in die Verantwortung miteinbezogen werden. Frauenförderung bedeutet, dass Menschen Chancen erhalten, sie diese aber auch wahrnehmen, um sich zu entfalten. Wird der Respekt gegenüber Frauen nicht gepflegt, lassen wir willentlich Machtmissbrauch in der Gesellschaft zu und verpassen dadurch die Chance, enorm wertvolle soziale Fähigkeiten zu entfalten. Die Entwicklungsprogramme wie auch die Beratung von Helvetas stellen sich diesen Herausforderungen, sind doch beide Themenbereiche zentral in der strategischen Zielsetzung «für echte Veränderung».

4) Wo sehen Sie Herausforderungen und Chancen für Helvetas?

Herausforderungen können grundsätzlich als Chancen wahrgenommen werden. Wenn wir uns aktuelle globale Herausforderungen und Megatrends in der Entwicklungszusammenarbeit vor Augen halten, kristallisieren sich drei Schwerpunkte heraus:

  • In der Dynamik der Entwicklungszusammenarbeit die einander ergänzenden «on the ground»-Erfahrungen und fachlichen Sach- und Führungskompetenzen als strategisch wichtige Bestandteile in der Förderung der Nachhaltigkeit auszubauen, obwohl und gerade weil die Risikoprofile im Engagement sich schnell und laufend verändern.
  • In der Multidimensionalität der Herausforderungen möglichst fachliche/sachliche Lösungsansätze im Spannungsfeld zwischen der Makro- und Mikroebene zu realisieren.
  • Die Verbindung von physischer mit digitaler Welt, vor allem was die Kommunikation von Sachverhalten beziehungsweise Themen und andrerseits den Umgang mit Daten anbelangt.

Ueli Winzenried ist Betriebsökonom mit Zusatzausbildungen in Fontainbleau und Stanford. Er verfügt über langjährige unternehmerische Erfahrung in der Wirtschaft im In- und Ausland, war Direktor bei F. Hoffmann-La Roche AG und ist – noch bis Ende Jahr – CEO der Gebäudeversicherung Bern (GVB). Anschliessend wird er als Wirtschaftskonsulent bei einer Anwaltskanzlei in Bern/Zürich tätig sein. Aktuell nimmt er als Verwaltungsrat respektive Stiftungsrat Einsitz in verschiedenen Unternehmungen und Non-Profit Organisationen. Ueli Winzenrieds Interesse an der Entwicklungszusammenarbeit wurde in den Achtzigerjahren geweckt, als er für drei Jahre in Peru arbeitete.

1) Was motiviert Sie, als Zentralvorstandsmitglied für Helvetas zu arbeiten?

Wir haben das Glück, in einer privilegierten Umgebung zu leben. Mit meinem Engagement bei Helvetas möchte ich dazu beitragen, etwas von diesem Glück mit Menschen in Not zu teilen. Helvetas unterstützt notleidende Menschen mit einem ganzheitlichen, gesellschaftspolitischen Ansatz in zentralen Bereichen wie Wasser, Ausbildung, Migration, Ernährung und Klimawandel. Ich bin stolz, Teil eines Teams zu sein, das für echte und spürbare Veränderungen einsteht. 

2) Was interessiert Sie an der Entwicklungszusammenarbeit besonders?

Als Leiter einer Versicherung setze ich mich mit dem Klimawandel auseinander; die Folgen sind spürbar und belasten die Volkswirtschaften auf unserem Planeten. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir nur einen Planeten haben, auf dem wir leben können, es gibt keinen Ersatz. Es ist unsere Verantwortung, sicher zu stellen, dass zukünftige Generationen auf dieser Welt leben und arbeiten können. Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, Katastrophenvorsorge, Migration und Nothilfe sind Themen, die höchste Aufmerksamkeit erfordern.

3) Sie sind Betriebsökonom mit langjähriger unternehmerischer Führungserfahrung im In- und Ausland. Was hebt Helvetas Ihrer Meinung ab von anderen NGOs?

Helvetas ist mit Expertenteams, welche über ein breites Netzwerk verfügen, in den Partnerländern vor Ort präsent. So können die wirklichen Probleme erkannt, zielgerichtet angegangen und Initiativen wirksam umgesetzt werden. Helvetas ist dadurch authentisch und glaubwürdig, was wiederum zum soliden Image beiträgt.

4) Wo sehen Sie Herausforderungen und Chancen für Helvetas?

Glaubwürdigkeit gegenüber den «Stakeholdern» wie der Politik, Gesellschaft und den Spenderinnen und Spendern ist ein kostbares Gut, mit welchem Helvetas Tag für Tag umzugehen hat. Diese Glaubwürdigkeit hat wesentlich zu den bemerkenswerten Erfolgen in der Vergangenheit und Gegenwart beigetragen und ist auch das Fundament für die zukünftige erfolgreiche Tätigkeit. Ich bin überzeugt, dass die Mitarbeitenden von Helvetas auf der ganzen Welt für diese Herausforderung sehr gut gerüstet sind und echte Veränderungen bewirken.

«Hansi Voigt, Erna Karrer-Rüedi, Ueli Winzenried und Angelo Gnädinger bringen facettenreiche Erfahrungen mit. Mit ihrem wertvollen Know-how ist Helvetas für die Zukunft strategisch optimal aufgestellt: Im Zentrum stehen dabei unter anderem das verstärkte Engagement in der Humanitären Hilfe, die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft und die Digitalisierung.»

Therese Frösch, Helvetas-Präsidentin