© Keystone/Peter Klaunzer

Unternehmen als Entwicklungsakteure?

Chancen und Risiken einer Zusammenarbeit mit dem Privatsektor
VON: Bernd Steimann - 28. Februar 2020
© Keystone/Peter Klaunzer

In der Entwicklungszusammenarbeit gewinnt der Privatsektor immer mehr an Bedeutung. Während viele Organisationen dieser Tendenz eher kritisch gegenüberstehen, umwerben DEZA und SECO Unternehmen als Partner für Entwicklungsprojekte. Solche Kooperationen eröffnen Chancen, bergen aber auch erhebliche Risiken. Unternehmen müssen sich verpflichten, wirkungsvoll zur Zielerreichung der Agenda 2030 beizutragen.

Zehn Jahre verbleiben noch für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. 2015 hatte die internationale Staatengemeinschaft beschlossen, bis 2030 unter anderem Armut und Hunger zu beenden, sauberes Wasser, Gesundheitsversorgung und Bildung für alle zu gewährleisten, Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu überwinden, Vollbeschäftigung zu fördern und die Umwelt zu schützen. Um diese Ziele auch nur annähernd zu erreichen, braucht es nicht nur eine noch nie dagewesene internationale Koordination, sondern vor allem auch viel Geld: Die UNO schätzt den jährlichen Investitionsbedarf zur Erfüllung der Agenda2030 in den verschiedenen Sektoren und Branchen auf 5 bis 7 Billionen US-Dollar, davon alleine in den Entwicklungsländern knapp 4 Billionen USD. Tatsächlich wurden bislang aber «bloss» 1,4 Billionen USD pro Jahr für die Internationale Zusammenarbeit aufgewendet. Die jährliche Finanzierungslücke in den Entwicklungsländern beträgt somit gut 2,5 Billionen USD.

Ohne Privatsektor kein «Zero Poverty»

Alleine wird die Staatengemeinschaft diese zusätzlichen Mittel nicht aufbringen können. Darum wurden zur Zielerreichung der Agenda2030 von Beginn an nicht nur Regierungen und multilaterale Organisationen, sondern auch der Privatsektor in die Pflicht genommen, ihren Beitrag zu globaler Nachhaltigkeit zu leisten. Durchaus mit Erfolg: Auch auf Druck der Konsumentinnen und Konsumenten sind viele Unternehmen daran, sich sozial verantwortlich und umweltverträglich zu positionieren und mehr «Shared Value» zu schaffen: Sie richten ihre strategischen Entscheidungen an den Grundsätzen und Erfordernissen von Nachhaltigkeit aus und steigern so langfristig ihre Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit. Damit rückt die gesellschaftliche und ökologische Verantwortung ins Zentrum der Unternehmensstrategie. In der Folge engagieren sich Firmen zunehmend auch in der Entwicklungszusammenarbeit.

Dies vor Augen, hat auch die DEZA  vor einigen Jahren damit begonnen, neue Entwicklungspartnerschaften mit grossen Unternehmen zu schmieden. Mit sogenannten Private-Public Development Partnerships (PPDPs) sollen Entwicklungsprozesse dank der Einbindung in marktwirtschaftliche Mechanismen beschleunigt und Investitionen gerade auch in jenen Gegenden und Sektoren ermöglicht werden, die von Unternehmen ansonsten vernachlässigt würden.

Übersteigerte Erwartungen

Doch was gut klingt, ist nicht selten mit massiv übersteigerten Erwartungen verbunden. Die Promotoren der privatwirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit versprechen sich vom verstärkten Fokus auf Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Einkommen «automatisch einen verbesserten Zugang zu Menschenrechten (…) mehr Steuereinnahmen und somit mehr öffentliche Investitionen in die Nachhaltigkeit» (NZZ 15.6.2018). Deutlich zeigt sich die Hoffnung auf die Wirksamkeit des freien Marktes und seiner Akteure in der «Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024», die am 19. Februar 2020 von Bundesrat verabschiedet und veröffentlicht wurde: Die «Zusammenarbeit mit dem Privatsektor» gehört darin zu den Schwerpunkten und wird ausführlich gewürdigt, während bezüglich der «Zivilgesellschaft» – einst von der DEZA als höchst relevanter Entwicklungsakteur eingestuft – zwar an wenigen Stellen von einer Unterstützung die Rede ist, nicht aber von einer Zusammenarbeit mit ihr. In dieses Bild passt auch die unlängst erfolgte Berufung eines ehemaligen Nestlé-Managers ins DEZA-Direktorium.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass eine einseitige Ausrichtung auf Wirtschaftswachstum kaum zu den erwünschten Übertragungseffekten auf die gesellschaftliche und politische Entwicklung führt. Investitionen allein garantieren noch kein Auskommen für alle, führen nicht automatisch zu mehr Steuereinnahmen und öffentlichen Investitionen ins Bildungs- oder Gesundheitswesen und stärken nicht zwingend die politische und gesellschaftliche Teilhabe der Bevölkerung. Im Gegenteil: Wo in kurzer Zeit viel Geld fliesst, geraten zivile Rechte häufig unter Druck. Laos etwa wirbt seit Jahren erfolgreich um ausländische Direktinvestitionen, verschärft gleichzeitig aber schrittweise die ohnehin schon restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen, um eine öffentliche Debatte zur gewählten Strategie von vornherein zu unterbinden.

Privatsektor ist nicht gleich Privatsektor

Doch gilt es zu differenzieren: Die Kritik seitens Entwicklungsorganisationen an PPDPs und ähnlichen Modellen betrifft vor allem das nicht immer selbstlose Engagement global tätiger Konzerne, die es mit Transparenz- und Qualitätskriterien hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung nicht immer so genau nehmen. Konzerne, die mit den PPDPs in erster Linie neue Absatzmärkte und Investitionsfelder erschliessen möchten oder durch gezielte Marketing-Massnahmen darauf abzielen, sich nachhaltiger und umweltfreundlicher darzustellen, als sie tatsächlich sind. In solchen Fällen dienen PPDPs dann weniger der Armutsbekämpfung und der nachhaltigen Entwicklung als vielmehr der Unternehmens-PR.

Trotzdem gibt es mittlerweile zahlreiche kleinere, mittlere und auch grössere Unternehmen, die einen ernsthaften Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten wollen. Viele von ihnen suchen dazu die Zusammenarbeit mit Organisationen wie Helvetas. Diese Kooperationen – mit Firmen vor Ort ebenso wie mit solchen aus der Schweiz – sind im gegenseitigen Interesse: Unternehmen fördern die wirtschaftliche Entwicklung durch Investitionen, generieren Beschäftigung, Innovation und Wissenstransfer und initiieren Unternehmensgründungen. NGOs ihrerseits tragen mit ihren spezifischen Erfahrungen dazu bei, dass solche privatwirtschaftlichen Initiativen Wirkung entfalten können: Sie arbeiten meist schon jahrzehntelang im betreffenden Land und verfügen über etablierte Kontakte zu Behörden, Regierungsstellen, der Zivilgesellschaft und dem lokalen Gewerbe. Ebenso kennen sie den jeweiligen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Kontext und die entsprechenden Risiken. Dazu gehört auch die Kenntnis regionaler Marktmechanismen, des nationalen Bildungswesens und anderer zentraler Faktoren für ein erfolgreiches und langfristiges wirtschaftliches Engagement. Zudem engagieren sich NGOs in jenen Bereichen, die zwar kein Investitionskapital anziehen, die für die langfristige Entwicklung aber ebenso wichtig sind – etwa in der Ausbildung von Lokalbehörden, der Korruptionsbekämpfung oder der Grundschulbildung.

Im Idealfall also ergänzen sich Profit- und Non-Profit Akteure und schaffen gemeinsam einen Mehrwert für nachhaltige Entwicklung. Voraussetzung dafür sind gemeinsame Werte und klar definierte Ziele, maximale Transparenz sowie die Einhaltung internationaler Sozial- und Umweltstandards. Unternehmen, die sich mit Entwicklungshilfe-Geldern günstig neue Märkte erschliessen wollen oder mit etwas «Charity» ihr Image aufzupolieren versuchen, kommen da nicht weit.