«Solange es genug Niederschläge gibt, kommen wir zurecht»
Schweiz, 1350 m. ü. M.

«Im Moment spüre ich – wenn man so will – noch vor allem die angenehmeren Seiten des Klimawandels», sagt Roland Müller aus dem Goms im Oberwallis. Der 62-jährige Bio-Bauer hat 30 Milchkühe auf seinem Hof und pflanzt Roggen und Kartoffeln an. Nun, da die Sommer immer länger würden, könnten die Tiere länger draussen weiden; früher am Morgen raus und oft bis in den November hinein, sagt er. Und doch beschönigt er nichts. Letzten Sommer habe er mit starker Trockenheit zu kämpfen gehabt, erzählt Roland, und zeigt auf verbrannte Grasnarben in der Wiese. Einen Teil davon konnte er bewässern – aber nicht alles. Auch seien durch die steigenden Temperaturen vermehrt Engerlinge und Kartoffelkäfer aufgetaucht, die Wurzeln und Blätter fressen. Der Klimawandel zeige sich auch im Winter. Dann arbeitet er als Skischulleiter in Geschinen und Münster. «Im vergangenen Winter hat es oft geregnet statt geschneit. Die Schneefallgrenze wandert nach oben. Diese Tendenz nimmt zu.»
Doch ist der Klimawandel für die Bauernfamilien nicht die einzige Herausforderung hier oben auf 1350 mü.M., der «Bergzone 4» und damit höchsten landwirtschaftlichen Zone der Schweiz. Im Jahr 2000 habe eine Lawine eine ganze Woche die Zufahrtsstrassen abgeschnitten und den Strom gekappt, erzählt er. Auch brauche der Tourismus seinen Platz: Die beliebte Langlaufloipe beeinträchtige den Boden darunter; und Roland findet, der künstlich angelegte See, einst Teil des Militärflugplatzes, hätte auch Ackerland werden können. «Doch wir sind auf den Tourismus angewiesen und müssen Kompromisse machen.»
Roland hat immer wieder Neues ausprobiert; weil sich das Klima verändert, oder auch, weil sich gewisse Tätigkeiten nicht mehr lohnen. Früher habe er noch Erdbeeren und Alpenkräuter für einen Schweizer Bonbonhersteller angepflanzt. Heute produziert er stattdessen Honig. Seine grösste Sorge ist jedoch der Personalmangel in der Käserei, wo die Milch seiner Kühe verarbeitet wird. Wie die Zukunft aussehen wird, kann der Bio-Bauer schwer sagen. Die Alpen seien im Frühling mittlerweile schon früh aper, also schneefrei. Wenn es danach nicht genug regnet, verdorrt das Futter. «Die Gletscher hier oben schmelzen weg. Aber solange es genug Niederschläge gibt, kommen wir zurecht», sagt er und bleibt unaufgeregt.
Von Madlaina Lippuner
«Uns fehlt Wasser»
Peru, 3867 m.ü.M.

«Die Landwirtschaft hier ist mein Leben. Die Landschaft, die Früchte, das Gemüse, alles. Davon leben wir. Leider beeinträchtigt der Klimawandel die Landwirtschaft sehr. Uns fehlt immer häufiger das Wasser. Früher wussten wir auf den Tag genau, wann wir aussäen sollen. Wann es regnen wird.»
«Hier» ist für Luzmila Mendoza der Distrikt Ácora in den peruanischen Anden. Auf 3867m. ü.M. bewässert eigentlich der Himmel die Felder der Kleinbauernfamilien. Doch ist auf den Regen kein Verlass mehr. Er setzt später ein als früher oder es regnet zerstörerisch stark. Die «Zeichen der Natur», die seit jeher von Generation zu Generation überliefert werden, sind immer schwieriger zu lesen und zu verstehen. Die Situation verschärft sich, wenn die Trockenzeit ungewohnt lange andauert und sich bis in die Zeit hineinzieht, in der die Temperaturen unter null Grad fallen. Das Zeitfenster für den Anbau von Getreide wie Quinoa oder für Kartoffeln wird immer kürzer.
Wind und Frost gefährden dann die Ernten und damit die tägliche Mahlzeit und die Einkünfte der Menschen, die der kargen und widerspenstigen Natur ihre Lebensgrundlage abtrotzen. Damit sie diese nicht verlieren, haben sie gemeinsam mit Helvetas im Auftrag der Deza nach Möglichkeiten gesucht, sich den Folgen des Klimawandels anzupassen. Fündig geworden sind sie beim nationalen Wetterdienst. Inzwischen haben Luzmila und viele andere Bauernfamilien gelernt, meteorologische Daten zu interpretieren und ihre Feldarbeit entsprechend anzupassen.
Ihr Handy ist für Luzmila zu einem unersetzlichen Hilfsmittel geworden: «Wir haben eine WhatsApp-Gruppe gegründet, in der wir uns austauschen. Wir erhalten dort auch agroklimatische Ratschläge, und Wind- und Frostwarnungen. So können wir unsere Tiere, die Kartoffeln, das Getreide und Gemüse rechtzeitig vor der Kälte schützen.»
Aufgezeichnet von Rebecca Vermot, Mitarbeit Ana María Vela Lostaunau, Helvetas Peru
«Lokal essen muss zur Gewohnheit werden»
Nepal, 2677 m. ü. M.

Als Selbstversorgerin zu leben, ist auch am Fuss des Himalaya schwierig. Doch Tilkanya Sahi hat es geschafft. Ihr Dorf Bhandaribada liegt im Nordwesten Nepals auf 2677 m ü.M. Hier pflanzt sie an, was sie für eine gesunde und ausgewogene Ernährung braucht. «Wir müssen es uns zur Gewohnheit machen, lokale und vielfältige Lebensmittel zu essen», ist sie überzeugt. Denn in abgeschiedenen Ortschaften wie hier bedeutet das, autonomer zu sein.
Wie zahlreiche Menschen in der Himalaya-Bergregion war sie früher von importierten Lebensmitteln abhängig. Diese sind oft verarbeitet und fettig, zucker- und salzhaltig. Doch Landwirtschaft in Nepal zu betreiben, ist beileibe nicht einfach: Das Land hat weniger als 15 Prozent nutzbare Landfläche, der Spielraum im steilen Gelände ist klein. Hinzu kommt der Klimawandel. Der Monsunregen, der normalerweise von Juni bis September dauert, fällt nun auch im Oktober. Dies und schmelzende Gletscher drohen dann, die Felder zu überfluten – erst recht an den Steilhängen. Immer wärmere Temperaturen haben ausserdem die Baumgrenze stetig nach oben verschoben. Lag sie vor 65 Jahren noch bei gut 3600 m. ü.M., wachsen heute bereits auf 4800 Metern Bäume. Für Hirt:innen bedeutet dies, dass sie in immer höhere Regionen aufsteigen müssen, um zu Weideflächen für ihre Schafe und Yaks zu gelangen – Weideflächen, die immer kleiner werden.
Für Menschen wie Tilkanya heisst das indes, Gemüse und Obst anzupflanzen, welches dem Klima standhält und der Bodenerosion entgegenwirkt. Im Rahmen eines Deza-Projekts, das Helvetas umsetzt, hat sie gelernt, ökologischen Gartenbau zu betreiben, aber auch, das Gelernte weiterzugeben. Überzeugt steht sie heute vor andere Frauen und wirbt für eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung. Ihren Ernteüberschuss verkauft sie. «Das hat mir nicht nur ein Einkommen verschafft. Das Gemüse ist erst noch gut für die Gesundheit», sagt sie. Ein Vorbild für andere.
Von Madlaina Lippuner