Wir wollen eine engagierte und solidarische Schweiz

Über viele Jahre veränderte sich die Welt zum Besseren. Doch nun scheint sie unter der Last mehrerer Krisen aus den Fugen zu geraten. In solch unsicheren Zeiten steht gerade auch die Schweiz als wohlhabendes und stark globalisiertes Land mit ihrer langen humanitären Tradition in der Verantwortung, sich für gemeinsame Lösungen und für faire internationale Rahmenbedingungen einzusetzen. 

Um dies in Erinnerung zu rufen, hat Helvetas im letzten Herbst einen «Appell für globale Gerechtigkeit» lanciert. Er richtet sich an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Menschen wie alt Bundesrätinnen Micheline Calmy-Rey und Ruth Dreifuss, der ehemalige Stadtpräsident von Zürich Elmar Ledergerber, Autorin Sibylle Berg und Schriftsteller Peter Stamm, der Publizist Roger de Weck, Solar Impulse Gründer Bertrand Piccard und Sportschütze Michel Ansermet gehören zu den Erstunterzeichnenden des Appells. 

Unser Ziel von 10'000 Unterstützerinnen und Unterstützern haben wir erreicht. Dies zeigt einmal mehr: Der Rückhalt für eine gerechte und verantwortungsvolle Entwicklungspolitik ist in der Schweizer Bevölkerung gross. Erklären lässt sich dies damit, dass die Schweiz ein vitales Interesse an internationaler Stabilität und nachhaltiger Entwicklung weltweit hat. Der Schweizer Bevölkerung ist die Bekämpfung von Armut, Hunger und Perspektivenlosigkeit in ärmeren Ländern wichtig. 

Doch, weil die Militärausgaben steigen sollen, will der Bundesrat an vielen Orten sparen, so auch beim internationalen Engagement. Dabei zeigt eine aktuelle Studie der ETH Zürich, dass sich 65 Prozent der Bevölkerung von links bis rechts genau das Gegenteil wünscht, nämlich einen Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit

Einige Fortschritte, viel Stillstand

Bei einigen Punkten, die der Appell enthält, bewegt sich die Schweiz in eine gute Richtung. So hat die Schweiz, die seit Anfang Jahr nicht-ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat ist, bereits erste diplomatische Erfolge für eine starke humanitäre Hilfe und zum Schutz der Zivilbevölkerung verzeichnen können. 

Andernorts bewegt sich die Schweiz kaum: Weil der weltweite Hunger seit sieben Jahren zunimmt und sich mit dem Ukrainekrieg noch einmal dramatisch verschärft, schlägt Helvetas im Appell vor, dass die Schweiz zusätzlich 100 Millionen Franken für das Welternährungsprogramm (WFP) zur Hungerbekämpfung bereitstellt. Zudem soll die Schweiz angesichts der fortschreitenden Klimakrise entschlossen handeln, etwa indem sie die ärmsten Menschen, die nichts für die Erderhitzung können, stärker unterstützt. Beides lehnen Bundesrat und Parlament ab

Ebenso verzögern Bundesrat und Parlament den sozial-ökologischen Umbau unseres Ernährungssystems sowie angemessene Regeln für Konzerne. Längst laufen in der EU Diskussionen über eine Verschärfung der Firmenregeln zu Themen wie Umwelt und Menschenrechte. Die Schweiz dürfte schon bald in Zugzwang kommen. 

Mit Verweis auf die breite Unterstützung durch die Bevölkerung werden wir die Erwartungen des Appells im Rahmen der anstehenden Parlamentsdebatten über das globale Engagement der Schweiz einbringen. So startet zum Beispiel der politische Prozess zur Internationalen Zusammenarbeit (die sog. Entwicklungshilfe) für die kommenden Jahre im Frühsommer mit einer öffentlichen Vernehmlassung, an der sich Helvetas beteiligen wird. 

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Unterzeichnen Sie jetzt den Appell für globale Gerechtigkeit

 

Erstunterzeichnende:

Micheline Calmy-Rey
a. Bundesrätin
Ruth Dreifuss
a. Bundesrätin
Patrick Rohr
Fotojournalist und Kommunikationsberater
Bertrand Piccard
Präsident Solar Impulse Foundation

Sechs Schlüssel für eine engagierte und solidarische Schweiz:

1 HUNGER- UND ERNÄHRUNGSKRISE SOFORT UND GANZHEITLICH ANGEHEN

Damit retten wir Hunderttausende Menschen vor dem Hungertod und wir helfen mit, dass sich die Menschen besser an wirtschaftliche Schocks und Extremwetter wie Dürren und Überschwemmungen anpassen können, um letztlich mehr Ernährungssicherheit zu erzielen.

Erklärung: Eigentlich gäbe es genug Nahrung für alle Menschen. Bloss landet ein immer grösserer Anteil davon als Tierfutter in der industriellen Viehzucht, als Biotreibstoff in Autotanks oder in der Mülltonne. Zum Schutz von Umwelt und Tierwohl muss vermehrt auf pflanzliche Ernährung gesetzt und die Landwirtschaft ökologischer ausgerichtet werden. Gleichzeitig gilt es, faire Preise für Produzierende sicherzustellen und das Ernährungssystem sozialverträglich und klimagerecht zu gestalten.

© Franz Thiel
Auf Märkten, wie hier in Shimela in der Region Wag Hemra, Äthiopien, ist in der aktuellen Ernährungskrise das Angebot knapp und die Ware teurer geworden. © Franz Thiel

2 AUSSENPOLITIK SOLIDARISCH AUSGESTALTEN

Damit stärken wir die Internationale Zusammenarbeit, fördern Demokratie, gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte, und vergrössern den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft und der Menschen in ärmeren Ländern.

Erklärung: Die Schweiz gilt als glaubwürdige Vermittlerin zwischen Konfliktparteien und kann mit einer aktiven Friedens- und Menschenrechtspolitik viel bewirken. In der UNO muss sich die Schweiz mit aller Kraft für Wege aus der Klimakrise und der aktuellen Hunger- und Ernährungskrise einsetzen. In Konfliktgebieten muss sich die Schweiz für den Schutz der Zivilgesellschaft und den Zugang zu humanitärer Hilfe stark machen.

Rohingya camp in Bangladesh | © Patrick Rohr
Humanitäre Hilfe lindert die schlimmste Not im Rohingya-Flüchtlingslager in Cox‘s Bazar, Bangladesch. © Patrick Rohr

3 KLIMAGERECHTIGKEIT STÄRKEN

Damit unterstützen wir ärmere Länder, sich klimaverträglich zu entwickeln, sich besser an die negativen Auswirkungen der Erderwärmung anzupassen und die Biodiversität zu schützen.

Erklärung: Der aktuelle Bericht des Weltklimarats IPCC zeigt das verheerende Ausmass der Auswirkungen der menschengemachten Klimaveränderung. Den Dürren, Überschwemmungen oder Wirbelstürmen sind ärmere Menschen und Länder unverschuldet ausgesetzt. Es fehlt ihnen an Ressourcen und Widerstandskraft. Schon vor Jahren haben wohlhabende Länder wie die Schweiz im Rahmen internationaler Klimaabkommen zugesagt, für mehr Klimagerechtigkeit zu sorgen und ärmere Länder mit neuen Finanzmitteln bei deren Anpassung an die Klimafolgen zu unterstützen. Geschehen ist bis heute zu wenig.

© Simon B. Opladen
Wasser ist immer schwieriger zugänglich und oftmals verschmutzt. In Tansarga, Benin, holt Laliba Souobou es aus einem Wasserloch. © Simon B. Opladen

4 VERANTWORTUNGSVOLLES HANDELN DER WIRTSCHAFT

Damit wird sichergestellt, dass für alle die gleichen Regeln gelten und hier ansässige, global tätige Unternehmen internationale Menschenrechts- und Umweltstandards auch in der Produktion und in ihren Zulieferketten umsetzen und für Verstösse geradestehen.

Erklärung: Global tätige Schweizer Firmen leisten einen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Entwicklung. Wichtig ist, dass die Unternehmen ihre wirtschaftlichen Interessen mit gesellschaftlicher Verantwortung verknüpfen und international anerkannte soziale und ökologische Kriterien der UNO und der OECD konsequent einhalten.

© Simon B. Opladen
Entwicklungszusammenarbeit ermöglicht bessere Arbeitsbedingungen wie hier bei der Baumwollernte in Jalal-Abad, Kirgistan. © Simon B. Opladen

5 WIRTSCHAFTS-, FINANZ- UND HANDELSPOLITIK NACHHALTIG AUSRICHTEN

Damit wird der Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft vorangetrieben, die Schweiz nachhaltig und weltverträglich ausgerichtet und die positive Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit verstärkt.

Erklärung: Als stark globalisiertes Land lebt die Schweiz stark auf Kosten anderer, ärmerer Länder. Daher gilt es dafür zu sorgen, dass die relevanten Politikbereiche zur Verbesserung der Entwicklungschancen ärmerer Länder beitragen: Rohstoffgeschäfte und private Kreditvergabe in Entwicklungsländern, Handelsabkommen und die Regulierung des Finanzplatzes müssen auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein. Als Richtschnur dient die Agenda 2030.

© Felana Rajaonarivelo
Auch die Schweiz muss dazu beitragen, dass in Madagaskar und weltweit nachhaltig gewirtschaftet werden kann. Installateur für Solarpanele in Ambanja. © Felana Rajaonarivelo

6 INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT STÄRKEN

Damit helfen wir Menschen in unmittelbarer Not und verbessern nachhaltig den Zugang zu Wasser und Gesundheitsversorgung. Zudem fördern wir die Grund- und Berufsbildung sowie die lokale Wirtschaft und erhöhen die Chance auf würdevolle Arbeit, ein besseres Einkommen sowie verantwortungsvolles Regieren und Mitsprache der Menschen.

Erklärung: Seit 50 Jahren steht das internationale Bekenntnis zum Zielwert von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Unterstützung ärmerer Länder. Mit der UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung aus dem Jahr 2015 wurde dieses Bekenntnis erneuert. Derzeit stellt die Schweiz rund 0,5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung. Angesichts der mehrfachen Krisen ist Internationale Zusammenarbeit nötiger denn je.

© K M ASAD
Internationale Zusammenarbeit bringt Entwicklungschancen für benachteiligte Menschen, damit auch ihre Stimme gehört wird. Dorfversammlung im Birampur Upazila, Bangladesch. © K M ASAD

Videobotschaft zum Appell für globale Gerechtigkeit von Regula Rytz

Helvetas erwartet Engagement und Solidarität in einer Zeit von Mehrfachkrisen

... auf die schiefe Bahn geraten. Während der Coronavirus-Pandemie haben sich Armut und Ungleichheit überall verschärft, wovon vor allem Frauen und Kinder betroffen sind. Der Krieg in der Ukraine verschärft die Ernährungskrise, während die Klimakrise immer akuter wird und zu Dürren und Überschwemmungen führt. Die Wirtschaft bricht vielerorts zusammen. Die drohende Energiekrise löst auch bei uns ein Gefühl der Angst und Hilflosigkeit aus.

Diese verschiedenen Krisen überlagern sich und sind miteinander verknüpft. Daher sind umfassende und koordinierte Ansätze erforderlich, um sie zu überwinden. Wir müssen die grundlegenden Ursachen von Ungerechtigkeit und Armut in der Welt sowie die globale Klimakrise jetzt angehen, da die Herausforderungen sonst unüberwindbar werden.

Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um die notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen herbeizuführen und weltweit für Chancengleichheit zu sorgen. Erneuerbare Energien, eine nachhaltige Wirtschaft, soziales Wohlergehen und öffentliche Gesundheit sowie das friedliche Zusammenleben, der Klimaschutz und die Biodiversität müssen gefördert werden - in der Schweiz und weltweit.

Die Schweiz ist keine Insel. Wir sind Teil dieser Welt und hängen von ihrem Wohlergehen ab.Deshalb verpflichtet unsere Verfassung die Schweiz, zur Linderung von Not und Armut in der Welt beizutragen, sich für Menschenrechte und Demokratie einzusetzen und das friedliche Zusammenleben der Völker sowie die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zu fördern.

Da unser Land eine direkte Demokratie ist, können wir uns alle gemeinsam dafür einsetzen, dass die notwendigen Massnahmen ergriffen werden: Wir stehen für eine solidarische Schweiz mit einer starken humanitären Tradition.Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, indem wir dafür sorgen, dass die Schweiz ihre internationalen Verpflichtungen im Bereich des Klimaschutzes einhält. Wir erwarten von der Politik und der Wirtschaft, dass sie verantwortungsvoll und solidarisch handeln.Und wir alle wollen ein nachhaltigeres individuelles Verhalten an den Tag legen.

Weitere Erstunterzeichnende:

André Lüthi
Präsident Globetrotter Group
Andreas Missbach
Geschäftsleiter Alliance Sud
Angelo Gnädinger
ehem. Generaldirektor IKRK
Anne Hodler
Schauspielerin und Moderatorin
Christophe Barman
Präsident der Fédération romande des consommateurs und Unternehmer
Daniel Hitzig
Redaktor
Dina Pomeranz
Prof. für Volkswirtschaft, Universität Zürich
Dominique Schmid
Unternehmensberater
Erna Karrer-Rüedi
Präsidentin EoS Entrepreneur Foundation
Eva Schmassmann
Geschäftsführerin Plattform Agenda2030
Ruth-Gaby Vermot
Mitglied Europarat, Präsidentin FriedensFrauen Weltweit, a. Nationalrätin
Daniel Wiener
Präsident Global Infrastructure Basel Foundation
Fenneke Reysoo
Prof. em. Graduate Institute of International and Development Studies
Fritz Brugger
Co-Direktor NADEL, ETH Zürich
Günther Fink
Prof. für Epidemiologie und Haushaltsökonomie, Schweiz. Tropeninstitut, Universität Basel
Hanspeter Fricker
ehem. CEO WWF Schweiz
Isabel Günther
Prof. für Entwicklungsökonomie, NADEL, ETH Zürich
Jean-Philippe Jutzi
Journalist und ehem. diplomatischer Berater
Jörg Frieden
Entwicklungsökonom
Julia Steinberger
Prof. Institut für Geographie und Nachhaltigkeit, Universität Lausanne
Jürg Staudenmann
Umwelt- und Entwicklungsexperte am Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI
Katharina Michaelowa
Prof. für Politische Ökonomie und Entwicklungspolitik, Universität Zürich
Kathrin Amacker
a. Nationalrätin
Laurent Goetschel
Direktor swisspeace, Universität Basel
Lisa Mazzone
Ständerätin
Marc Muller
Gründer Impact Living, Influencer für nachhaltige Entwicklung
Marcel Tanner
Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz
Marco Fähndrich
Kommunikationsverantwortlicher Alliance Sud 
Mario Fehr
Regierungsrat Kanton Zürich
Martin Landolt
Nationalrat
Martin R. Dean
Schriftsteller und Essayist
Joy Matter
alt Gemeinderätin Stadt Bern
Nicola Forster
Gründer foraus – Forum Aussenpolitik
Paul Oertli
Unternehmer
Peter Messerli
Direktor Wyss Academy for Nature, Universität Bern
Peter Niggli
Publizist
Peter Stamm
Schriftsteller
Peter Stämpfli
Unternehmer
Pierre-Yves Maillard
Präsident des Schweiz. Gewerkschaftsbunds (SGB) und Nationalrat
Pietro Veglio
ehem. Präsident Federazione delle ONG della Svizzera italiana (FOSIT)
Rebekka Burckhardt
Schauspielerin und Regisseurin
Regula Bührer Fecker
Werberin
Renata Burckhardt
Autorin und Dozentin
René Holenstein
Ehem. Botschafter
René Longet
Experte für nachhaltige Entwicklung und ehem. Präsident der Fédération genevoise de coopération
Richard Gerster
Berater und Publizist
Romaine Jean
Kommunikations- und Medienberaterin
Ruedi Dannecker
ehem. Vizedirektor Deza
Ruth Egger
Entwicklungsökonomin
Sabina Bobst
Fotografin und Kuratorin
Samir
Filmemacher
Stefan Haupt
Filmemacher
Ueli Winzenried
Business Konsulent
Zora del Buono
Schriftstellerin
Oswald Sigg
ehemaliger Sprecher des Bundesrat
Cécile Bühlmann
ehem. Präsidentin Greenpeace Schweiz, a. Nationalrätin
Marina Carobbio Guscetti
Ständerätin Kanton Tessin
Jean Christophe Schwaab
Vize-Bürgermeister von Bourg-en-Lavaux, a. Nationalrat
Elmar Ledergerber
ehem. Stadtpräsident Zürich und ehem. Präsident Helvetas
Roger de Weck
Autor
Micheline Calmy-Rey
a. Bundesrätin
Hansi Voigt
Journalist, Medienunternehmer und Gründer watson.ch
Lucy Koechlin
Präsidentin Kommission für EZA Basel-Stadt
Sibylle Berg
Schriftstellerin
Patrick Chappatte
Presse-Karikaturist
Jean Daniel Gerber
ehem. Staatssekretär
Michel Ansermet
Direktor von Aquatis und Olympiasieger im Sportschiessen