Clemencia López Cabrera | © Sandra Sebastian / fairpicture

Faire Chancen weltweit

Lernen Sie hier die Geschichte hinter den Gesichtern auf den Helvetas-Plakaten kennen. Und wie eine faire Chance für das Leben dieser vier Frauen entscheidend ist.
© Sandra Sebastian / fairpicture

Vier Frauen, vier Chancengeschichten

Menschen wie Emebet Mekonnen aus Äthiopien, Neuza Yacussa aus Mosambik, Ana Ngayia aus Tansania und Clemencia López Cabrera aus Guatemala brauchen weder Almosen noch Mitleid. Was diese starken Frauen brauchen, ist eine faire Chance auf Wasser, Nahrung, Bildung und Mitsprache, um ihr Leben selbstbestimmt gestalten zu können.

Mitleid ermöglicht kein sauberes Trinkwasser. Helvetas schon.

Emebet Mekonnen, 31, Äthiopien

Seit ein paar Jahren steht im äthiopischen Bergdorf Birbir ein Pumpbrunnen. Für die 31-jährige Emebet Mekonnen eine gute Nachricht, denn sie musste früher weit laufen, um Wasser vom Fluss zu holen. Dreckiges Wasser, das krank machte. Das änderte sich mit einem Brunnen … bis dieser kaputt ging.  

Fragen rund um Wartung und Reparatur der Brunnen – wer diese organisiert, bezahlt, ausführt – waren ungeklärt. Leider kein Einzelfall in der Region, und es dauerte lange, bis der Brunnen wieder geflickt war. «Zu wissen, wie das Leben mit sauberem Wasser im Dorf ist, machte es noch viel schwieriger, wieder zum Fluss zu gehen», erzählt sie, denn der war wieder die einzige Wasserquelle.  

Helvetas ist mit einem Projekt in die Bresche gesprungen, das nebst kaputten Brunnen ein weiteres Problem in der Region löst: die hohe Jugendarbeitslosigkeit. So bildet Helvetas junge Arbeitslose aus, die Brunnen warten, reparieren und Ersatzteile verkaufen. Sie lernen, sich in Jungunternehmen zu organisieren und schaffen sich ein regelmässiges Einkommen. Ihren Lohn bekommen sie von den Dorfbewohner:innen, die – inzwischen organisiert in Wasserkomitees – die Gebühren für die Wassernutzung einziehen und sich zur Aufgabe machen, die Brunnen zu schützen. 

Dank der Initiative von Helvetas haben Emebet und die anderen Einwohner:innen Birbirs heute konstant Wasser im Dorf. Weil der lange Weg zum Fluss und das viele Kranksein wegfallen, hat Emebet auch Zeit für anderes: ihre Kinder, sich selbst, ihren Mann und ihr kleines Restaurant. Und sie träumt weiter. Von einem kleinen Supermarkt. Es wäre der erste in ihrem Dorf. Ein Brunnen und sauberes Trinkwasser eröffnen vielfältige Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben.  

© Ricardo Franco

Neuza braucht kein Mitleid, sondern eine solide Ausbildung. 

Neuza Yacussa, 18, Mosambik
© Ricardo Franco

Sommer 2020. In Mosambik schliessen die Schulen wegen der Corona-Pandemie. Neuza Yacussa hatte gerade das zehnte Schuljahr abgeschlossen. Doch statt untätig rumzusitzen, nahm Neuza ihre Zukunft in die Hand: Als sie hörte, dass es Kurse gibt, um Schreinerin zu werden, war sie sofort Feuer und Flamme. Schon immer wollte sie bauen, träumte als Kind davon, Bauingenieurin zu werden. «Schreinern ist kein Beruf nur für Jungs. Ich will zeigen, was eine Frau kann», sagte sie ihren Freundinnen und Bekannten, die von einem Männerberuf sprachen.

Nach einer kurzen Lehre fand sie eine Anstellung in einem Betrieb für Holzarbeiten. Schon nach einem Monat baten die Verantwortlichen die inzwischen 18-Jährige, selbst Ausbildnerin zu werden. «Ich konnte es kaum fassen. Ich bin so glücklich. Mit dem Geld kann ich das Essen für meine Mutter und meine Geschwister kaufen – und Kleider für mich.» In ihren Worten schwingt auch Stolz mit: «Vorher brachten meine Brüder das Essen heim, jetzt kann ich das auch.» Sie beschreibt sich selbst als selbstbewusst und geniesst den Respekt, der ihr heute entgegengebracht wird. Doch sie will mehr, sie will ihren Kindheitstraum verwirklichen: Noch immer will Neuza Bauingenieurin werden. Für ihren Traumberuf muss sie weitere Kurse besuchen, die Aufnahmebedingungen hat sie erfüllt. «Eines Tages werde ich ein eigenes Unternehmen haben und Angestellte. Und ich werde erfolgreich sein.» 

In Mosambik gibt Helvetas eine Antwort auf das Problem der hohen Jugendarbeitslosigkeit: In kurzen Ausbildungskursen werden junge Menschen in gefragten Berufen auf die Arbeitswelt vorbereitet. Nach der Ausbildung erhalten die Jugendlichen nicht nur ein Diplom, sondern auch Unterstützung auf der Suche nach einer bezahlten Arbeit oder beim Schritt in die Selbständigkeit. Die Nachfrage nach ausgebildeten Leuten ist gross, wie das Beispiel von Neuza Yacussa (18) zeigt. 

Ana Ngayia | © Simon Opladen

Ana braucht kein Mitleid, sondern genug zu essen. 

Ana Ngayia, 53, Tansania
© Simon Opladen

Ana Ngayia ist Reisbäuerin im fruchtbaren Zentrum Tansanias. Seit sie Mitglied der «Kilimo Kwanza»-Dorfgruppe ist, hat sich ihre einst magere Reisernte mehr als verdoppelt. In der Gruppe hat sie dank Unterstützung von Helvetas gelernt, nur wenige Tage alte Setzlinge zu setzen, in einem bestimmten Abstand. Und den Reis nach 90 Tagen zu ernten, wenn die Ähren weder zu grün noch bereits zu trocken sind. Sonst fermentiert der Reis oder die Reiskörner fallen ab – beides führt zu grossen Ernteverlusten.

Vor allem aber helfen sich die Mitglieder der Dorfgruppe untereinander aus, auch bei der Ernte. Das macht nicht nur mehr Spass, wie die Frauen sagen, sondern ist auch effizienter. Und ebenso bei Verhandlungen mit Zwischenhändlern, bei denen sie zusammen viel bessere Preise aushandeln. Neuerdings stellen die Frauen der Gruppe gemeinsam parboiled Reis her, denn gesundheitsbewusste Tansanierinnen und Tansanier sind bereit, für den vitamin- und mineralienreichen vorgekochten Reis mehr Geld zu bezahlen.

Clemencia López Cabrera | © Sandra Sebastian / fairpicture

Clemencia braucht kein Mitleid, sondern Gleichberechtigung. 

Clemencia López Cabrera, 29, Guatemala
© Sandra Sebastian / fairpicture

Clemencia López Cabrera durfte nur bis zur sechsten Klasse zur Schule gehen: «Warum Geld für euch Mädchen ausgeben, wenn ihr sowieso heiratet?», hiess es daheim. Vor der Schule musste sie die Hausarbeit erledigen; Schulmaterial gab es keines. «Uns wurde gesagt, dass wir Frauen weniger zählen, nicht mitzureden haben. Dass eine Frau für die Hausarbeit gemacht ist und um Kinder zu haben, nicht um in der Öffentlichkeit zu sein.» Als Teenager und später als junge Frau glaubte Clemencia das selbst. «Deshalb fühlte ich mich hässlich und unfähig. Seit ich klein war, hiess es: Es sind die Männer, die reden, die Männer, die entscheiden.» Heute wisse sie, was sie wert sei.

Die alles verändernde Chance kam mit einem Helvetas-Projekt. Clemencia wurde Mitglied einer Frauengruppe und besuchte Kurse, um ihr Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen zu stärken. Sie verbesserte ihr Verhandlungsgeschick und entwickelte Führungsfähigkeiten, um Interessen von Frauen voranzubringen. Denn in Guatemala werden indigene Frauen in allen Lebensbereichen diskriminiert. Sie haben weniger Zugang zu Bildung, Einkommen, Medizinsystem und anderen öffentlichen Dienstleistungen als Männer. Ihre Arbeitslast ist immens und häusliche Gewalt weit verbreitet. Bei Behördengängen werden ihre Anliegen oft als nichtig abgetan, vom politischen Leben sind sie weitgehend ausgeschlossen.

Deshalb nimmt Helvetas auch Behörden und Amtsstellen in die Pflicht, sich stärker für Frauen einzusetzen. Clemencia lernte an konkreten Beispielen, wie ein Vorstoss geplant, budgetiert und eingegeben werden muss, damit er Aussicht auf Erfolg hat. «Mir ist klar geworden, dass auch meine Meinung wichtig ist, auch meine Ideen gut sind», sagt Clemencia López Cabrera (29) heute. Als Mitglied im Entwicklungsrat ihres Dorfes setzt sie sich für die Anliegen aller ein. «Wir selbst konnten nicht lange genug zur Schule gehen oder studieren, aber unsere Töchter werden diese Möglichkeiten haben.»